Politische Sprachlosigkeit
Die Regierung muss die Folgen des Krieges deutlich zur Sprache bringen.
Wie geht man um mit einem Krieg direkt vor der HausWtür?
Kann man sich neben den Schrecken des russischen Angriffskrieges noch mit dem normalen parlamentarischen und politischen Alltag beschäftigen? Diese Frage stellt sich auch die Berliner Politik.
Im Falle der Bundestagssitzung am vergangenen Donnerstag beispielsweise hat die Politik diese Frage schlecht beantwortet. Im Parlament nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zur Tagesordnung überzugehen, ohne zumindest eine Pause einzulegen, war mindestens taktlos, viel eher ein Armutszeugnis. Auch wenn dahinter durchaus das Kalkül stand, dass politisch niemand hätte adäquat antworten können, ohne weitere Zugeständnisse zu machen, die niemand aus der Ampelregierung machen kann: Es gibt eine politische Sprachlosigkeit, dem Schrecken adäquat zu begegnen, die alle Parteien erfasst hat.
Es ist an der Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz, seine Ministerinnen und Minister den Bürgern klarmachen, dass der Krieg weitreichende Veränderungen auf die deutsche Gesellschaft haben wird – abgesehen von der Verteidigungsund Sicherheitspolitik. Die vertriebenen Menschen aus der Ukraine werden die Gesellschaft über Monate beschäftigen und fordern, die Inflation wird der Staat nicht ausgleichen können, und auch die Energiekosten werden Wirtschaft und Gesellschaft am Ende zahlen müssen. Wenn der Staat in der Corona-Pandemie zwar zunächst oft hilflos, am Ende aber immer auf Ausgleich zumindest der wirtschaftlichen Schäden bedacht war, so ist der Krieg vor der Haustür etwas völlig anderes.
Und es wäre gut, wenn auch dieses Ausmaß – neben sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen – thematisiert würde. Am besten im Bundestag, durch eine Regierungserklärung des Kanzlers und eine anschließende gesamtgesellschaftliche Debatte.