Ahrtal-Flutopfer hilft jetzt Flüchtlingen in Polen
Anne Bergmann hat viel verloren, aber auch viel Unterstützung erfahren. Seit zwei Wochen engagiert sich die 24-Jährige für Menschen aus der Ukraine.
PRZEMYSL Fast zwei Wochen lang ist Anne Bergmann nun schon im polnischen Przemysl an der Grenze zur Ukraine, um zu helfen. Immer wieder ist sie aufs Neue berührt von den Schicksalen der Menschen, die alles zurücklassen mussten und nicht wissen, wie es weitergehen soll. „Hier kommen Mütter mit Neugeborenen an oder ältere Frauen, die sich erstmal auf den Feldbetten ausruhen müssen und weinen“, sagt die 24-Jährige. Eine Seniorin hatte ihrem Ehemann einen Teppich umgebunden, damit er nicht friert, berichtet sie und fügt hinzu: „Es ist alles sehr emotional.“
Bergmann lebt mit ihrer Familie in Mayschoß im Ahrtal. Die Flut hat im vergangenen Sommer ihr Haus direkt am Fluss schwer verwüstet. Das Lokal, in dem die Restaurantfachfrau gearbeitet hat, ist immer noch geschlossen. „Es ist schwer, Handwerker zu finden“, sagt sie. Außerdem herrsche immer noch Materialmangel. „Bei uns stand das Wasser bis zur zweiten Etage, alles ist immer noch im Rohbauzustand.“Zwischendurch kam sie in einem Tiny House unter. „Ich kann zu Hause gerade nichts tun.“Also packte sie mit einem Freund, der ihr nach der Flut geholfen hat, einen Kleinbus mit Hilfsgütern voll und fuhr los nach Polen. „Ich habe selbst so viel Hilfe
bekommen und will jetzt anderen helfen“, sagt sie. Menschen aus ganz Deutschland hätten im Sommer 2021 vor ihrer Tür gestanden und einfach mit angepackt. „Dass so etwas möglich ist, hätte ich nicht für möglich gehalten.“
In Polen hilft sie mit vielen anderen Freiwilligen, Hilfsgüter zu verladen und Busse und Mitfahrgelegenheiten zu organisieren, damit die Geflüchteten weiterkommen. „Wir fahren auch in die Ukraine rein, um Leute mit über die Grenze zu nehmen“, sagt sie. Przemysl ist normalerweise eine verschlafene Grenzstadt mit rund 60.000 Einwohnern, nun kommen dort täglich mehrere Züge und Busse mit ukrainischen Flüchtlingen an. „Es werden immer mehr“, sagt Bergmann. Die Verständigung mit den erschöpften Menschen klappe mit der Übersetzungssoftware Google-Translate, ein bisschen Englisch und mit „Händen und Füßen“, wie sie sagt.
Eigentlich war geplant, bald zurück nach Mayschoß zu fahren. Aber der Flüchtlingsstrom wird immer größer, und Bergmann und die anderen Freiwilligen haben nicht das Gefühl, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Im Gegenteil. „Ich denke, ich fahre ein paar Tage nach Hause – und komme dann wieder nach Polen“, sagt sie. Zu Hause könne sie ohnehin nur warten, bis sie wieder arbeiten kann.