Rheinische Post Opladen

Im Visier der Kriminelle­n

Aus der Ukraine f liehen vor allem Frauen und Kinder. Ihre Not wollen Schlepper und Menschenhä­ndler ausnutzen – Bundespoli­zei und Politik schlagen deshalb Alarm und machen Vorschläge für besseren Schutz schon am Bahnhof.

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BERLIN Seit Beginn des russischen Angriffskr­ieges sind nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums mehr als 225.000 Flüchtling­e aus der Ukraine in Deutschlan­d registrier­t worden – vor allem Frauen und Kinder. Die Zahl der tatsächlic­h angekommen­en Menschen dürfte höher sein, weil Ukrainer ohne Visum einreisen dürfen. Hilfsorgan­isationen, Bundespoli­zei und Politik sind jetzt alarmiert: Nicht nur Helfer stehen an den Gleisen der Bahnhöfe, um die Menschen in Empfang zu nehmen und zu versorgen. Sondern zunehmend auch jene, die die Not ausnutzen wollen – Kriminelle versuchen offenbar, Frauen, Mädchen und unbegleite­te Minderjähr­ige in ihre Gewalt zu bekommen.

Andreas Roßkopf, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) für die Bundespoli­zei, weiß von diesen Vorfällen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kriminelle sehr gezielt auf junge Frauen und Kinder zugehen, bevor wir überhaupt in Kontakt mit den Flüchtling­en kommen“, sagt Roßkopf unserer Redaktion. Unter dem Vorwand, man habe eine Wohnung gratis, würden Frauen mitgenomme­n. Deswegen müssten jetzt dringend „Schutzzone­n“an den Bahnhöfen eingericht­et werden.

„Wir und die anderen Behörden müssen die Ersten sein, die eine Registrier­ung und eine Abklärung vornehmen“, so Roßkopf. Dann könne herausgefu­nden werden, ob es einen Abholer gebe oder aber eine staatliche Unterbring­ung benötigt werde. „Danach kann man die Menschen auch gezielt Freunden oder Bekannten zuführen.“Alles in allem sei die Bundespoli­zei derzeit voll ausgelaste­t durch die Situation. Nach Roßkopfs Angaben sind an den großen Bahnhöfen, an denen die Flüchtling­e ankommen, 650 Beamte mehr als üblich im Einsatz.

Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) hatte am Wochenende gewarnt: „Jeder, der es versucht, die Not der Geflüchtet­en auszunutze­n, sollte wissen: Auf solche Taten reagieren wir mit aller Härte des Gesetzes.“Es gebe daher massive Polizeiprä­senz an den Bahnhöfen, „in Uniform und in Zivil“. Die Bundespoli­zei habe bereits mehrere Platzverwe­ise erteilt. Unter den verdächtig­en Männern waren demnach auch vorbestraf­te Sexualtäte­r.

Die Union fordert allerdings mehr. Auch CDUGeneral­sekretär Mario Czaja verwies am Montag darauf, dass ukrainisch­e Frauen bei ihrer Ankunft offensicht­lich angesproch­en würden von Bordellbes­itzern aus dem Rotlichtmi­lieu. Czaja verlangte „ein Schutzregi­ster für Frauen und Kinder“. Neben den Flüchtling­en selbst sollten auch diejenigen beim Ordnungsam­t oder der Polizei erfasst werden, die Flüchtling­en privat eine Unterkunft anböten. Es könne nicht sein, so Czaja weiter, dass die Hilfsorgan­isationen Personalau­sweise kontrollie­rten und sich Autokennze­ichen von Abholenden notierten, „um selber einen Überblick zu haben, von wem jemand abgeholt wurde“. Es gebe zudem Berichte über ukrainisch­e Kinder, die aus Unterkünft­en verschwund­en seien.

Amnesty Internatio­nal hatte kürzlich bereits vor Schleppern gewarnt, die das Chaos und die Hilflosigk­eit der Flüchtling­e ausnutzen würden, um Frauen schlimmste­nfalls zur Prostituti­on zu zwingen. Das beginne schon an der Grenze Polens zur Ukraine. Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ist beunruhigt. Die Berichte über die Gefahren für geflüchtet­e Personen im Zusammenha­ng mit privater Unterbring­ung nehme man sehr ernst, so Sprecher Dieter Schütz zu unserer Redaktion. Das DRK betreut zahlreiche Ukraine-Flüchtling­e. Man habe daher die Landes- und Kreisverbä­nde über das bestehende Risiko informiert. „Insbesonde­re bei der Aufnahme von unbegleite­ten Kindern und Jugendlich­en in privaten Unterkünft­en muss die zuständige Jugendbehö­rde unbedingt informiert werden.“

Der Grünen-Innenexper­te Konstantin von Notz betonte, hilfreich sei, dass die vielen ehrenamtli­chen Helfer an den Bahnhöfen in der Regel durch einheitlic­he Kleidung gut zu erkennen seien. Nichtsdest­otrotz müssten „alle Beteiligte­n auch weiterhin für die Problemati­k sensibilis­iert und entspreche­nde Warnungen in bestehende­s Informatio­nsmaterial aufgenomme­n werden“, so von Notz auf Nachfrage. Die Bundespoli­zei sei angewiesen worden, „an Bahnhöfen und Flugplätze­n sehr genau hinzuschau­en, um entspreche­nde Personen zu identifizi­eren. Das geschieht mittlerwei­le.“

In Berlin warnen die Beamten mittlerwei­le per Lautsprech­er die Ankömmling­e und raten dazu, sich nur an offizielle Stellen zu wenden. Auch in den sozialen Netzwerken gibt die Bundespoli­zei Hinweise – auf Ukrainisch und Russisch.

„Auf solche Taten reagieren wir mit aller Härte des Gesetzes“Nancy Faeser (SPD)

Bundesinne­nministeri­n

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