Schwindel im Alter
Bei manchen Krankheiten ist die Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Berufsgruppen nötig. Schwindelgefühle im Alter gehören dazu.
Unser Leser Rudolf G. (94) aus Mönchengladbach fragt: „Mir wird neuerdings bei bestimmten Bewegungen schwindelig. Mein Blutdruck ist in Ordnung. Was kann die Ursache sein?“
Peter Löhmer Schwindel gehört bei den Senioren über 65 Jahren zu den häufigen körperlichen Beschwerden, bei über 75-Jährigen stellt er sogar das häufigste Krankheitssymptom dar, das die Lebensqualität einschränkt. In Diagnostik und Therapie sind nahezu alle Fachbereiche vertreten, vom Hausarzt über Kardiologe, Neurologe, Radiologe und HNO-Arzt auch der Chirurg, die Geriatrie (Altersmedizin) und die Physiotherapie.
Die Patienten leiden unter Unsicherheit, Schwanken oder einem Gefühl wie im Aufzug. Beklagt werden Sehstörungen, Beinschwäche, aber auch Kopfschmerzen und Hörstörungen. Zumeist ist nicht ein Organsystem allein verantwortlich. So ist die akute Schädigung des Gleichgewichtsorganes im Ohr bei alten Patienten nicht häufiger anzutreffen als bei jüngeren. Aber ähnlich wie das Hören im Alter nachlässt, ist auch das sogenannte Vestibularorgan Alterungsprozessen ausgesetzt; es wird unempfindlicher gegenüber äußeren Reizen.
Hinzukommen aber auch noch Störungen der Sehkraft, der Nervenfunktionen, Gefühlsstörungen in den Füßen und Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule. Abbauprozesse der Muskulatur führen zu weiterer Unsicherheit, schwankender Blutdruck und geminderte Leistungsfähigkeit des Herzens verstärken die Beschwerden. Außerdem müssen Ärzte oft feststellen, dass der ältere Mensch meist zu wenig trinkt. Medikamente, die gegen andere Erkrankungen eingenommen werden, können ebenfalls Probleme verstärken oder auch auslösen.
Den Patienten mit Altersschwindel kann man auch an seinem geänderten Gangbild erkennen: wackelig mit kleineren Schritten und leicht vornübergebeugt. Sturzangst kann zu sozialem Rückzug, Angst und erheblicher Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Zunehmende Inaktivität – „wenn ich sitze, geht es mir besser“– verschlimmert die Situation nur noch. Wenn es nun doch zu einem Sturz kommt, können die Folgen dramatisch sein bis hin zur operativen Versorgung eines Oberschenkelhalsbruches und wochenlangen Aufenthaltes im Krankenhaus und vielleicht der Unmöglichkeit, seinen Haushalt weiter eigenständig zu führen.
Was kann helfen? Zunächst ist zu untersuchen, ob eine akute Schwindelsituation vorliegen könnte, die ursächlich behandelt werden kann. Hierzu müssen die einzelnen Fachdisziplinen eng zusammenarbeiten, das Management
übernimmt der Hausarzt. Ist ein Akutschwindel ausgeschlossen, sollten die Medikamente überprüft und möglicherweise angepasst werden. Ob „Schwindel-Medikamente“bei der Komplexität des Krankheitsbildes helfen, ist sehr stark anzuzweifeln.
Stürze zu verhindern und Lebensqualität zu steigern – das ist für Arzt wie Patient entscheidend. Daher sollten Hilfsmittel wie Gehhilfen oder Rollatoren verordnet werden. Die Wohnung sollte frei von Stolperfallen sein, beim nächtlichen Toilettengang sollte das Licht eingeschaltet werden. Gleichgewichtsübungen unter regelmäßiger Anleitung, Seniorensport alleine oder besser noch in der Gemeinschaft und allgemeine Steigerung der körperlichen Aktivität sind sehr hilfreich. Die gesetzlichen Krankenkassen bieten hierzu bereits Hilfen an, doch kann dies nur der Anfang bei einer zunehmend alternden Gesellschaft sein.