Vitesse Arnheim bangt um seine Existenz
Der russische Eigentümer des niederländischen Erstligisten zieht sich aus Sorge vor Sanktionen zurück.
ARNHEIM Sportlich läuft es dieser Tage für Vitesse Arnheim nicht. In der vergangenen Woche schied der niederländische Erstligist unglücklich in der Conference League gegen den AS Rom aus, nun folgte eine 1:2-Niederlage in der Liga gegen das Kellerkind RKC Waalwijk. Die Spitzengruppe der Eredivisie rückt damit für das Team des deutschen Trainers Thomas Letsch (früher RB Salzburg, Austria Wien und Erzgebirge Aue) aus dem Blickfeld. Aktuell stehen die Schwarz-Gelben auf Tabellenplatz sechs.
Noch düsterer aber sieht es für Vitesse abseits des Platzes aus. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine will in Arnheim, nur wenige Kilometer von der Grenze mit Deutschland entfernt, keine Ruhe einkehren. Immerhin ist der Klub zum Spielball schwerreicher Oligarchen geworden, die den Erstligisten mit Millionen über Wasser halten. Gleich mehrfach wechselte der Verein in den 2010er-Jahren den Besitzer. Auf den georgischen Geschäftsmann Merab Jordania folgte der russische Milliardär Alexander Tschigirinski. Mittlerweile ist Landsmann und Oligarch Valeri Oyf Eigentümer. Doch der Russe, der aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa stammt, will den Verein verkaufen. Der Grund: Die Position von Valeri Oyf war aufgrund der möglichen
Sanktionen, mit denen schwerreiche Russen rechnen müssen, unhaltbar geworden.
Er habe „im Interesse des Klubs, der Mitarbeiter, Fans, Sponsoren und anderer Interessensgruppen“entschieden, den Fußballverein zu verkaufen, so Oyf. Alle Anteile wolle er veräußern, die Suche nach Käufern begann bereits vor anderthalb Wochen. Zuvor war der Druck, sich öffentlich gegen den Krieg in Osteuropa zu positionieren, zu groß geworden. Doch lange Zeit schwieg der Eigentümer, der einst selbst politische Ämter in Russland bekleidete. Zudem gilt der 58-Jährige als enger Freund von Roman Abramowitsch, der Noch-Eigentümer des FC Chelsea. Bislang steht Valeri Oyf nicht auf der Sanktionsliste, das kann sich aber ändern.
In Arnheim wird nun ein Investor mit Kapital gesucht. Gewünschte Eigenschaften: eine Schwäche für Vitesse Arnheim und den niederländischen Fußball. Fehlende Fachkenntnis ist kein Hinderungsgrund, ein russischer Pass sehr wohl. Doch die Interessenten stehen nicht gerade Schlange. Immerhin hat der 1892 gegründete Verein einen Schuldenberg von 150 Millionen Euro, zudem müssen jährlich knapp zehn Millionen Euro hinzugeschossen werden. Sportliche Ambitionen also müsste der Nachfolger von Valeri Oyf haben. „Man kann einen Käufer finden, der gar nichts tut, aber dann wird es schwierig. Daher ist dies eine wichtige Bedingung: Was für einen Käufer wird es geben? Wie steht es um die Kapitalmacht?“, sagte Geschäftsführer Remco van Wijk vor einigen Tagen beim öffentlichrechtlichen TV-Sender NOS.
Doch es gebe bereits erste Anfragen, heißt es vom Klub. Katarische Finanziers hätten sich gemeldet. Zudem meldete Michael van der Kuit Interesse an, der nun bereits Eigentümer des Gelredome-Stadions von Vitesse ist.
Klar ist: Langweilig dürfte es bei Vitesse Arnheim nie werden. Nicht ohne Grund hat der Klub im Nachbarland den Spitznamen „FC Hollywood am Rhein“bekommen. Unruhen
mit Fans, ein abgesagtes Spiel und ein betrunkener Sponsor, der vor einigen Wochen in der Kabine den früheren Wolfsburger Spieler Riechedly Bazoer anging – es ist auch in dieser Saison eine Menge los beim Tabellensechsten. Dabei ging es sportlich in den vergangenen Jahren aufwärts. Unter Trainer Thomas Letsch spielt das Team um Torwart Markus Schubert (früher Schalke 04) und Linksverteidiger Maximilian Wittek (früher Greuther Fürth) ansehnlichen Offensivfußball.
So erreichte man auch das Achtelfinale der Conference League. Zuvor hatte Vitesse Arnheim noch nie in einem europäischen Wettbewerb überwintert. Grund genug für Aufbruchsstimmung, sollte man meinen. Doch die Euphorie in der Stadt ist überschaubar. Ein Grund dürften die immer wieder enttäuschten Erwartungen sein. Die Eigentümer versprachen in der Vergangenheit das große Geld und Titel. Gerecht wurden sie den Ansprüchen nicht.
Vitesse Arnheim ist zudem zu einem Sammelbecken für (meist ausgeliehene) ausländische Spieler geworden, die anderswo scheiterten. Spieler aus der Region oder gar der eigenen Nachwuchsabteilung haben Seltenheitswert. Die Fans können sich mit dem Team nicht identifizieren. Die Folge: Im Gelredome, früher ein Garant für tolle Stimmung, sind meist nur die Hälfte der 25.000 Plätze besetzt.