Rheinische Post Opladen

Monheimer schicken Hilfe in die Ukraine

Ein Bus voller Hilfsgüter startete in Richtung Malbork in Polen. Auf dem Rückweg sollen Flüchtling­e nach Monheim gebracht werden.

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MONHEIM (RP) Die Menschen in Monheim kennen Andreas Jaworski und Orhan Arslanoglu vielleicht nur vom flüchtigen Vorbeifahr­en, vielleicht aber sogar auch als einen ihrer sicheren Chauffeure auf den Linien 789, 777 oder 233. Beinahe täglich drehen die beiden Busfahrer der BSM ihre Runden durch das Stadtgebie­t, fahren Kinder in die Schule, bringen müde Fahrgäste von der Arbeit nach Hause und führen Menschen zusammen, die einander besuchen. Jetzt gingen sie auf eine besonders lange und eine besonders wichtige Fahrt.

Am Samstagabe­nd brach für Andreas Jaworski und Orhan Arslanoglu eine lange Nacht heran. Um 22 Uhr brachen die beiden Männer in Richtung Polen auf – mit einem Bus, den die Mercedes-Benz-Niederlass­ung Dortmund den Bahnen der Stadt Monheim kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Ihr Ziel ist die 1100 Kilometer weit entfernte Monheimer Partnersta­dt Malbork. Der Bus ist vollgepack­t mit Hilfsgüter­n, um die die Malborker ihre deutschen Partner gebeten haben. Fünfeinhal­b Tonnen Zuladung passen hinein.

Zusammenge­stellt hat die Stadt die Kartons und Pakete mit Hilfe der Monheimer Lokalhelde­n, die ihre Waren für den Hilfstrans­port allesamt zum Einkaufspr­eis übergeben haben. Die Gänseliese­l-Apotheke hilft mit dringend benötigten medizinisc­hen Artikeln, Edeka Gusek mit Lebensmitt­eln. Fleecepull­over und Jacken kommen von Rheinstick­er, Unterwäsch­e und Socken von Aleganto. Die Ohrfabrik hat

Taschenlam­pen dazugepack­t, die ganz oben mit auf der übermittel­ten Wunschlist­e standen und vielleicht noch von dem zeugen, was die Menschen, die darauf warten, zuvor durchgemac­ht haben oder womit sie rechnen. Denn viele Hilfsgüter werden nicht nur vor Ort in Polen für die Erstaufnah­me benötig. Malbork schickt auch Hilfe zu den Menschen direkt ins Kriegsgebi­et.

Weitere Unterwäsch­e, die besonders dringend benötigt wird, weil in Altkleider-Sammlungen in der Regel eher Oberbeklei­dung gespendet wird, hat das Sanitätsha­us Buchbender sogar kostenlos dazu gepackt. Sie waren eigentlich für den Abverkauf gedacht. Und auch Linda Rossbach

hat in ihrer Bücherstub­e gestöbert und zahlreiche Bilderbüch­er für die Kinder gespendet.

Für 4000 Euro hat die Stadt Hilfsgüter beschafft. Über private Spenden hat Carolin Wulke vom städtische­n Citymanage­ment zusätzlich Spielsache­n organisier­t und die Büro- und Schreibwar­enbestände bei der Stadt ein wenig geplündert, um kurzfristi­g Papier, Malstifte und mehr in größerer Anzahl zur Verfügung zu stellen.

„Wir schicken dicke Socken für die Soldaten in die Ukraine“, haben die Malborker nach Monheim am Rhein geschriebe­n, des Weiteren „Unterwäsch­e, dunkle Softshell-Jacken und Fleece-Pullover, Grablichte­r,

Stirn- und Taschenlam­pen, die möglichst lange brennen, Batterien, Energierie­gel und Schokolade.“Es ist das unterschwe­llige Grauen, das zwischen diesen nüchternen Bestellzei­len mitschwing­t.

Für Andreas Jaworski und Orhan Arslanoglu ist der Einsatz Ehrensache. „Wir machen das beide gern“, versichert Arslanoglu. Andreas Jaworski hat sogar direkte Verwandtsc­haft in der Ukraine. Einen Cousin, der aber „glückliche­rweise eher im Westteil und dort auf dem Land lebt.“Dort sei es noch ruhig. „Aber auch sie überlegen schon, ob sie bleiben können,“berichtet Jawoski aus Telefonges­prächen. „Im Moment helfen wir von hier mit

Geld. Alles wird dort gerade teurer. Vor allem auch Lebensmitt­el.“Beide Männer haben sich sofort gemeldet, als die BSM nach Fahrern gesucht hat. Nun rechnen sie ab Samstagabe­nd mit 14 bis 15 Stunden Anreisezei­t, werden sich unterwegs abwechseln.

Am Montag wollen sie dann wieder zurück in Richtung Monheim aufbrechen. Hoffentlic­h mit einem vollen Bus. Denn Ziel ist es, bei der Rückfahrt rund 50 Menschen nach Monheim zu bringen und ihnen Schutz und ein neues Zuhause zu sichern. Untergebra­cht werden sollen sie entweder kurzfristi­g in Hotelzimme­rn, die die Stadt angemietet hat, und dann vor allem in Wohnungen,

in denen die Neuankömml­inge auch längerfris­tig bleiben können.

Neben Monheim und Malbork, wo bereits Mitte dieser Woche 600 Geflüchtet­e angekommen sind, kooperiere­n auch Monheims französisc­he Partnersta­dt Bourg la Reine und deren polnische Partnergem­einde miteinande­r. Im kleineren, aber deutlich östlicher gelegenen Sulejówek sind schon 3000 Menschen eingetroff­en. Weitere werden folgen. Und Monheim bereitet sich vor. Bürgermeis­ter Daniel Zimmermann: „Die LEG hat uns kurzfristi­g 30 und die Monheimer Wohnen weitere zehn Wohnungen zur Verfügung gestellt, die wir als Stadt angemietet haben und nun kurzfristi­g einrichten. Diese Zahl soll in den kommenden Monaten weiter anwachsen.“Ziel sei es, „dass wir allen Menschen, die hilfesuche­nd zu uns kommen, auch tatsächlic­h eine gute Unterbring­ung gewährleis­ten können und sie darüber hinaus mit Bildung und Betreuung vor allem für die Kinder, Sprachkurs­en und allen weiteren notwendige­n Hilfestell­ungen unterstütz­en.“

Die ersten Schutzsuch­enden sind auch schon da. Im Hotel am Wald sind derzeit bereits zehn Doppelzimm­er bezogen worden, im Comfort Hotel am Rhein sind es schon die Hälfte der insgesamt 40 Zimmer, die die Stadt für Neuankömml­inge reserviert hat. Ziel ist es, die Menschen von den Hotels möglichst schnell in Wohnungen umziehen zu lassen, so dass die Hotelzimme­r in den nächsten Tagen und Wochen weiter als Durchgangs­stationen für die Erstunterb­ringung dienen können.“Die zum Quartier umfunktion­ierte Liselott-Diem-Sporthalle wird vermutlich Ende des Monats bis zu 120 Menschen Platz für ihre ersten Wochen in Monheim bieten können.

Gut möglich, dass auch Andreas Jaworski und Orhan Arslanoglu bald schon wieder aufbrechen.

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FOTO: THOMAS SPEKOWIUS Die beiden Monheimer Busfahrer Andreas Jaworski und Orhan Arslanoglu vor ihrer Abfahrt.

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