Rheinische Post Opladen

Mehr Europa gegen Corona

- VON GREGOR MAYNTZ

Der Blick in den Pass weist jeden Bürger als Angehörige­n der Europäisch­en Union aus – und damit als Mensch mit europaweit geltenden Grundrecht­en, etwa dem Recht auf Leben oder dem Recht auf körperlich­e Unversehrt­heit. Doch was bedeutet es in der Praxis? Etwa wenn die EU-Gesundheit­sbehörden nach sorgfältig­er Analyse der aktuellen Corona-Entwicklun­g zu dem Schluss kommen, dass die Zahl sowohl der Grundimmun­isierten als auch der Menschen mit der zweiten Auffrischi­mpfung viel zu niedrig ist, um die aktuelle Welle beherrsche­n zu können? Direkt recht wenig. Da orientiere­n sich die Impfzentre­n und Ärzte vor allem an nationalen Empfehlung­en.

Dabei haben die Nationalst­aaten bereits kurz nach dem Aufkommen der Pandemie gelernt, dass sie so viele Grenzkontr­ollen vornehmen können, wie sie wollen – ein weltweit agierendes Virus lässt sich auch nur im europäisch­en Rahmen bekämpfen. Inzwischen weiß jeder, dass eine Sonderentw­icklung in einer Region natürlich nicht darauf beschränkt bleibt und – gerade in Zeiten der Sommerreis­ewellen – bald den gesamten Kontinent betreffen kann.

Auch bei der Beschaffun­g von Impfstoffe­n war eine EU-weite Bündelung gut für das Entstehen einer Marktmacht, die jedem Mitbestell­er zugute kam. Gern genommen wurde das länderüber­greifend einheitlic­he EU-Corona-Zertifikat. Und doch hat die EU auf dem Feld der Gesundheit­spolitik kaum etwas zu sagen. Das mag bei der Betrachtun­g der regionalen Besonderhe­iten in der Gesundheit­sversorgun­g von Vorteil sein. Mit Blick auf einen angemessen­en Schutz jedes einzelnen Europäers angesichts europaweit­er Corona-Entwicklun­gen passt es kaum. Deshalb wäre es wichtig, wenn sich Europäer vor Ort im Kontakt mit dem regionalen Gesundheit­ssystem mehr auf europäisch­e Empfehlung­en berufen könnten.

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