Sommerpause mit Sorgen
Die erste sitzungsfreie Woche in Berlin hat begonnen. Für Kanzler Olaf Scholz geht es Ende des Monats in den Urlaub. Er hat Probleme im Gepäck.
BERLIN Der Kanzler bittet zum Gespräch: Olaf Scholz hat zu Wochenbeginn im hohen Norden Bürgerinnen und Bürger zum „Kanzlergespräch“eingeladen. Auch seine Vorgängerin Angela Merkel wählte ein solches Format bereits: „Bürgerdialog“hieß die Reihe, die während der Pandemie virtuell stattfand. Der Kanzler Scholz kommuniziert in diesen Wochen auffallend viel. Er geht in TV-Sendungen, sendet einmal die Woche Videobotschaften aus dem Kanzleramt, nun das Kanzlergespräch, dessen erste Ausgabe in Lübeck Auftakt für Dialogveranstaltungen in allen Bundesländern sein sollte. Ein Durchatmen während des Sommers wird es für den SPD-Politiker angesichts der Weltlage nicht geben. Ein paar Tage verreisen will er dennoch – Ende des Monats, ins Allgäu zum Wandern. Welche Themen der Kanzler mit in die Sommerpause nimmt:
Ukraine-Krieg
In der Ukraine tobt nach wie vor der russische Angriffskrieg, eine Entspannung ist nicht in Sicht. Der Vormarsch der Russen im Osten des Landes setzt sich fort. Mit seinem Besuch in der Ukraine und durch die Ankündigungen Deutschlands hat sich Scholz bei den Waffenlieferungen etwas Luft verschafft. Er kündigte vergangene Woche weitere Lieferungen in die Ukraine im Zuge des Ringtauschs an. Die Bundesregierung habe „mit mehreren Ländern diese Vereinbarungen jetzt soweit konkretisiert, dass sie unmittelbar mit Auslieferung verbunden sein werden“. Einzelheiten nannte er nicht. Zu der Forderung der Union, Transport- und Schützenpanzer direkt aus Deutschland zu liefern, äußerte Scholz sich nicht. Er bekräftigte aber, dass Deutschland nur das liefern werde, was auch die Verbündeten der Ukraine bereitstellen.
Gaskrise
Die Pipeline Nord Stream 1 wurde am Montag für eine Wartung heruntergefahren. Sprich, es fließt kein Gas mehr aus Russland nach Deutschland. Ob der russische Betreiber die Versorgung wieder aufnimmt, ist offen. Genau wie die Frage, wie es danach weitergeht, ein Gasnotstand ist nicht mehr ausgeschlossen. Scholz kündigte bereits an, dass die Frage einer sicheren Energieversorgung noch lange Zeit die politische Tagesordnung bestimmen wird. Bereits in zehn Tagen wird klar sein, ob Deutschland weiter mit russischem Gas versorgt wird oder nicht. Was dann konkret folgt? Unklar.
Inflation
Doch die Bürger kämpfen nicht nur mit hohen Energiepreisen, auch die Lebensmittelpreise sind stark angestiegen. „Wir werden nicht alle Preise runtersubventionieren können. Das kann kein Staat der Welt“, sagte Scholz jüngst. Um eine Entlastung der Bürger wird aber gerungen, denn die hohen Strom- und Gasrechnungen werden erst für den Herbst erwartet. Eine konzertierte Aktion von Arbeitgebern und Gewerkschaften soll Abhilfe schaffen, Einzelheiten soll es aber erst im Herbst geben. Jüngst kamen Moratorien für Stromsperren in die Diskussion – aber wie genau weitere Entlastungen ausfallen sollen, darüber wurde in der Koalition noch keine Einigung erzielt. Zumal die FDP auf die Einhaltung
der Schuldenbremse dringt.
Corona
Ein Regierungsmitglied hat seine Urlaubspläne bereits jetzt zusammengestrichen: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Diesen und mit ihm auch den Kanzler beschäftigt die immer noch anhaltende Pandemie, die in diesem Jahr auch im Sommer nicht Halt macht. Die Lage auf den Intensivstationen ist laut Notfallmedizinern für einen Sommer ungewöhnlich angespannt. Es steht weniger Personal zur Verfügung, da auch viele Ärzte und Pflegekräfte an Corona erkrankt sind. Einige OPs müssen bereits verschoben werden. Ein
Schutzkonzept für den Herbst liegt noch nicht vor, das Infektionsschutzgesetz läuft im September aus. 69 Prozent der Bürger würden laut Umfragen mit Blick auf den Herbst eine Rückkehr zur Maskenpflicht in Innenräumen unterstützen.
Umfragen und Koalition
Doch macht die FDP da mit, mag sich der Kanzler fragen. Und die Frage stellen, ob sich seine Vize, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, eigentlich noch verstehen und ihm die Treue halten. Die SPD jedenfalls ist erstmals seit der Bundestagswahl in einer Umfrage wieder unter die 20-Prozent-Marke gesunken. Keine einfache Zeit. Und doch ist der Sommer noch nichts gegen den Herbst. Dieser wird in diesem Jahr zu einer so noch nicht gekannten Herausforderung für das Land.