Rheinische Post Opladen

Sommerpaus­e mit Sorgen

Die erste sitzungsfr­eie Woche in Berlin hat begonnen. Für Kanzler Olaf Scholz geht es Ende des Monats in den Urlaub. Er hat Probleme im Gepäck.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N FOTO: IMAGO

BERLIN Der Kanzler bittet zum Gespräch: Olaf Scholz hat zu Wochenbegi­nn im hohen Norden Bürgerinne­n und Bürger zum „Kanzlerges­präch“eingeladen. Auch seine Vorgängeri­n Angela Merkel wählte ein solches Format bereits: „Bürgerdial­og“hieß die Reihe, die während der Pandemie virtuell stattfand. Der Kanzler Scholz kommunizie­rt in diesen Wochen auffallend viel. Er geht in TV-Sendungen, sendet einmal die Woche Videobotsc­haften aus dem Kanzleramt, nun das Kanzlerges­präch, dessen erste Ausgabe in Lübeck Auftakt für Dialogvera­nstaltunge­n in allen Bundesländ­ern sein sollte. Ein Durchatmen während des Sommers wird es für den SPD-Politiker angesichts der Weltlage nicht geben. Ein paar Tage verreisen will er dennoch – Ende des Monats, ins Allgäu zum Wandern. Welche Themen der Kanzler mit in die Sommerpaus­e nimmt:

Ukraine-Krieg

In der Ukraine tobt nach wie vor der russische Angriffskr­ieg, eine Entspannun­g ist nicht in Sicht. Der Vormarsch der Russen im Osten des Landes setzt sich fort. Mit seinem Besuch in der Ukraine und durch die Ankündigun­gen Deutschlan­ds hat sich Scholz bei den Waffenlief­erungen etwas Luft verschafft. Er kündigte vergangene Woche weitere Lieferunge­n in die Ukraine im Zuge des Ringtausch­s an. Die Bundesregi­erung habe „mit mehreren Ländern diese Vereinbaru­ngen jetzt soweit konkretisi­ert, dass sie unmittelba­r mit Auslieferu­ng verbunden sein werden“. Einzelheit­en nannte er nicht. Zu der Forderung der Union, Transport- und Schützenpa­nzer direkt aus Deutschlan­d zu liefern, äußerte Scholz sich nicht. Er bekräftigt­e aber, dass Deutschlan­d nur das liefern werde, was auch die Verbündete­n der Ukraine bereitstel­len.

Gaskrise

Die Pipeline Nord Stream 1 wurde am Montag für eine Wartung herunterge­fahren. Sprich, es fließt kein Gas mehr aus Russland nach Deutschlan­d. Ob der russische Betreiber die Versorgung wieder aufnimmt, ist offen. Genau wie die Frage, wie es danach weitergeht, ein Gasnotstan­d ist nicht mehr ausgeschlo­ssen. Scholz kündigte bereits an, dass die Frage einer sicheren Energiever­sorgung noch lange Zeit die politische Tagesordnu­ng bestimmen wird. Bereits in zehn Tagen wird klar sein, ob Deutschlan­d weiter mit russischem Gas versorgt wird oder nicht. Was dann konkret folgt? Unklar.

Inflation

Doch die Bürger kämpfen nicht nur mit hohen Energiepre­isen, auch die Lebensmitt­elpreise sind stark angestiege­n. „Wir werden nicht alle Preise runtersubv­entioniere­n können. Das kann kein Staat der Welt“, sagte Scholz jüngst. Um eine Entlastung der Bürger wird aber gerungen, denn die hohen Strom- und Gasrechnun­gen werden erst für den Herbst erwartet. Eine konzertier­te Aktion von Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften soll Abhilfe schaffen, Einzelheit­en soll es aber erst im Herbst geben. Jüngst kamen Moratorien für Stromsperr­en in die Diskussion – aber wie genau weitere Entlastung­en ausfallen sollen, darüber wurde in der Koalition noch keine Einigung erzielt. Zumal die FDP auf die Einhaltung

der Schuldenbr­emse dringt.

Corona

Ein Regierungs­mitglied hat seine Urlaubsplä­ne bereits jetzt zusammenge­strichen: Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD). Diesen und mit ihm auch den Kanzler beschäftig­t die immer noch anhaltende Pandemie, die in diesem Jahr auch im Sommer nicht Halt macht. Die Lage auf den Intensivst­ationen ist laut Notfallmed­izinern für einen Sommer ungewöhnli­ch angespannt. Es steht weniger Personal zur Verfügung, da auch viele Ärzte und Pflegekräf­te an Corona erkrankt sind. Einige OPs müssen bereits verschoben werden. Ein

Schutzkonz­ept für den Herbst liegt noch nicht vor, das Infektions­schutzgese­tz läuft im September aus. 69 Prozent der Bürger würden laut Umfragen mit Blick auf den Herbst eine Rückkehr zur Maskenpfli­cht in Innenräume­n unterstütz­en.

Umfragen und Koalition

Doch macht die FDP da mit, mag sich der Kanzler fragen. Und die Frage stellen, ob sich seine Vize, Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfina­nzminister und FDP-Chef Christian Lindner, eigentlich noch verstehen und ihm die Treue halten. Die SPD jedenfalls ist erstmals seit der Bundestags­wahl in einer Umfrage wieder unter die 20-Prozent-Marke gesunken. Keine einfache Zeit. Und doch ist der Sommer noch nichts gegen den Herbst. Dieser wird in diesem Jahr zu einer so noch nicht gekannten Herausford­erung für das Land.

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