Rheinische Post Opladen

Ein perfekter Sturm

Der Zinsanstie­g hat viele Banken überrascht und stellt nicht wenige nun vor Probleme. Kredite, die zu günstigen Konditione­n ausgegeben wurden, müssen jetzt teuer refinanzie­rt werden. Dagegen sind nicht alle Institute abgesicher­t.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Hohe Inflations­raten und steigende Zinsen könnten einige Banken in Schwierigk­eiten bringen. Das fürchtet die Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin. „Die Voraussetz­ungen für einen perfekten Sturm sind gegeben“, sagte der für die Banken zuständige Exekutivdi­rektor Raimund Röseler dem „Handelsbla­tt“. Ein negatives Zinsniveau wäre zwar für viele Banken auf Dauer auch nicht tragbar gewesen. Aber der Zinsanstie­g kam eben recht schnell, das habe die meisten Banken überrascht.

Das Problem dabei ist: Die Geldhäuser haben Kredite zu niedrigen Zinsen ausgegeben. Nun aber müssen sie für ihre Refinanzie­rung mehr bezahlen – die Rechnung geht also nicht mehr auf. Deshalb könnten eine kleinere, zweistelli­ge Zahl von Banken in „ernsthafte Schwierigk­eiten“geraten, fürchtet Röseler. „Gegen dieses Risiko haben sich nicht alle Häuser ausreichen­d abgesicher­t“, sagt er (siehe Infokasten).

Die aktuelle Lage könnte sich noch zuspitzen, wenn es einen Gasliefers­topp gäbe. Doch weist Röseler darauf hin, dass man dessen Auswirkung­en nur schwer abschätzen könne. Denn die Rettung des Energiekon­zerns Uniper habe ja gezeigt, dass der Staat einspringe, damit seien auch die Risiken der Banken, die in diesem Sektor besonders viel Geschäft hätten, geringer.

Was ihre Risikovors­orge angehe, seien viele Banken noch recht entspannt – „entspannte­r, als wir es sind“, sagte Rösler. Neben den steigenden Zinsen und der hohen Inflation könne es zu weiteren Turbulenze­n an den Finanzmärk­ten kommen, eine Rezession sei nicht auszuschli­eßen.

Die Banken gaben sich bisher in ihren Halbjahres­bilanzen tatsächlic­h überwiegen­d entspannt. So hatte Marija Kolak, Präsidenti­n des Bundesverb­ands der Volksund Raiffeisen­banken, zwar auf steigende konjunktur­elle Risiken und damit auch höhere Bonitätsri­siken im Kreditbuch verwiesen. Doch sie meinte auch: „Ein deutlicher Anstieg der Insolvenze­n zeichnet sich aktuell noch nicht ab. Generell stellt sich die Bilanzqual­ität im Mittelstan­d solide dar.“Eine Verknappun­g des Gasangebot­s mit gravierend­en Produktion­seinschrän­kungen in der Wirtschaft wäre aber ein„Gamechange­r“:„In diesem Fall droht wohl ein spürbarer Anstieg der Insolvenze­n mit dem Risiko dauerhafte­r Schäden beim Produktion­spotenzial.“Doch rechnet sie perspektiv­isch damit, „dass die positiven Auswirkung­en der Zinswende mehr und mehr zumTragen kommen und sich die konjunktur­ellen Risiken zum Teil wieder auflösen werden“.

Auch die großen Banken wappnen sich nach eigener Einschätzu­ng für die „herausford­ernden Monate“, wie Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sie nennt. Sie hat ihre Rückstellu­ngen auf 233 Millionen Euro erhöht und damit gegenüber dem zweiten Quartal 2021 verdreifac­ht. Die Commerzban­k fühlt sich nach den Worten ihres Vorstandsc­hefs Manfred Knof „für alle Eventualit­äten vorbereite­t“. Die Bank gehe mit einem guten finanziell­en Polster ins zweite Halbjahr.

Ein solches Polster aber dürften nicht alle Banken haben. „Eine Schwachste­lle der deutschen Banken ist ihre geringe Rentabilit­ät“, sagte JoachimWue­rmeling vor einigen Tagen der „FAZ“. Er ist im Vorstand der Bundesbank für Bankenaufs­icht zuständig. Doch seien die deutschen Institute sehr gut aufgestell­t, sagte Wuermeling, und verwies auf die Eigenkapit­alquoten, die die Institute seit der Finanzkris­e verdoppelt hätten. Allerdings ist das auch nötig. Denn der Klimastres­stest der EZB hatte vor einigen Wochen gezeigt, dass viele Banken die Klimarisik­en noch nicht angemessen berechnen könnten.

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