Ein perfekter Sturm
Der Zinsanstieg hat viele Banken überrascht und stellt nicht wenige nun vor Probleme. Kredite, die zu günstigen Konditionen ausgegeben wurden, müssen jetzt teuer refinanziert werden. Dagegen sind nicht alle Institute abgesichert.
FRANKFURT Hohe Inflationsraten und steigende Zinsen könnten einige Banken in Schwierigkeiten bringen. Das fürchtet die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin. „Die Voraussetzungen für einen perfekten Sturm sind gegeben“, sagte der für die Banken zuständige Exekutivdirektor Raimund Röseler dem „Handelsblatt“. Ein negatives Zinsniveau wäre zwar für viele Banken auf Dauer auch nicht tragbar gewesen. Aber der Zinsanstieg kam eben recht schnell, das habe die meisten Banken überrascht.
Das Problem dabei ist: Die Geldhäuser haben Kredite zu niedrigen Zinsen ausgegeben. Nun aber müssen sie für ihre Refinanzierung mehr bezahlen – die Rechnung geht also nicht mehr auf. Deshalb könnten eine kleinere, zweistellige Zahl von Banken in „ernsthafte Schwierigkeiten“geraten, fürchtet Röseler. „Gegen dieses Risiko haben sich nicht alle Häuser ausreichend abgesichert“, sagt er (siehe Infokasten).
Die aktuelle Lage könnte sich noch zuspitzen, wenn es einen Gaslieferstopp gäbe. Doch weist Röseler darauf hin, dass man dessen Auswirkungen nur schwer abschätzen könne. Denn die Rettung des Energiekonzerns Uniper habe ja gezeigt, dass der Staat einspringe, damit seien auch die Risiken der Banken, die in diesem Sektor besonders viel Geschäft hätten, geringer.
Was ihre Risikovorsorge angehe, seien viele Banken noch recht entspannt – „entspannter, als wir es sind“, sagte Rösler. Neben den steigenden Zinsen und der hohen Inflation könne es zu weiteren Turbulenzen an den Finanzmärkten kommen, eine Rezession sei nicht auszuschließen.
Die Banken gaben sich bisher in ihren Halbjahresbilanzen tatsächlich überwiegend entspannt. So hatte Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbands der Volksund Raiffeisenbanken, zwar auf steigende konjunkturelle Risiken und damit auch höhere Bonitätsrisiken im Kreditbuch verwiesen. Doch sie meinte auch: „Ein deutlicher Anstieg der Insolvenzen zeichnet sich aktuell noch nicht ab. Generell stellt sich die Bilanzqualität im Mittelstand solide dar.“Eine Verknappung des Gasangebots mit gravierenden Produktionseinschränkungen in der Wirtschaft wäre aber ein„Gamechanger“:„In diesem Fall droht wohl ein spürbarer Anstieg der Insolvenzen mit dem Risiko dauerhafter Schäden beim Produktionspotenzial.“Doch rechnet sie perspektivisch damit, „dass die positiven Auswirkungen der Zinswende mehr und mehr zumTragen kommen und sich die konjunkturellen Risiken zum Teil wieder auflösen werden“.
Auch die großen Banken wappnen sich nach eigener Einschätzung für die „herausfordernden Monate“, wie Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sie nennt. Sie hat ihre Rückstellungen auf 233 Millionen Euro erhöht und damit gegenüber dem zweiten Quartal 2021 verdreifacht. Die Commerzbank fühlt sich nach den Worten ihres Vorstandschefs Manfred Knof „für alle Eventualitäten vorbereitet“. Die Bank gehe mit einem guten finanziellen Polster ins zweite Halbjahr.
Ein solches Polster aber dürften nicht alle Banken haben. „Eine Schwachstelle der deutschen Banken ist ihre geringe Rentabilität“, sagte JoachimWuermeling vor einigen Tagen der „FAZ“. Er ist im Vorstand der Bundesbank für Bankenaufsicht zuständig. Doch seien die deutschen Institute sehr gut aufgestellt, sagte Wuermeling, und verwies auf die Eigenkapitalquoten, die die Institute seit der Finanzkrise verdoppelt hätten. Allerdings ist das auch nötig. Denn der Klimastresstest der EZB hatte vor einigen Wochen gezeigt, dass viele Banken die Klimarisiken noch nicht angemessen berechnen könnten.