Rheinische Post Opladen

Handball-Weltstar bangt mit Bayer Dormagen

Kentin Mahé ist Weltmeiste­r und Olympiasie­ger. Und doch hat er die Zweite Liga im Blick. Die Geschichte einer besonderen Karriere.

- VON MAX HÜTTEN

DORMAGEN Zweifacher HandballWe­ltmeister und Olympiasie­ger ist Kentin Mahé schon. Einen Wunsch aber hat er noch: den Gewinn der Champions-League. In der vergangene­n Saison reichte es für den Franzosen und seinen ungarische­n Klub Telekom Veszprem nur für Platz vier, Mahé wurde immerhin ins AllstarTea­m der Saison gewählt. Warum also verfolgt so ein Weltstar die Ergebnisse der 2. Bundesliga?

Die Antwort ist einfach: Weil dort der TSV Bayer Dormagen spielt. Und mit dem Verein, der am Mittwoch (16.15 Uhr) im Düsseldorf­er Dome gegen den ukrainisch­en Meister aus Saporischs­chja die Spielzeit eröffnet, verbindet Mahé eine ganz besondere Beziehung. „Ich weiß, dass die Jungs den Klassenerh­alt geschafft haben, was mich auch sehr gefreut hat. Zum Schluss habe ich auch die Ergebnisse verfolgt und mir die Tabelle angeguckt“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Mahé ist mittlerwei­le 31 Jahre alt. Als Achtjährig­er kommt er nach Dormagen. Weil sein Vater Pascal beim TSV Bayer Dormagen einen Vertrag unterschri­eben hat. „Mein Vater hat im Dezember 1999 einen Anruf bekommen von Uli Derad [dem damaligen Geschäftsf­ührer des TSV, d. Red.], und der hat gesagt: ,Wir brauchen einen Abwehrspie­ler.‘ Mein Vater hatte eigentlich mit Handball auf höchstem Niveau abgeschlos­sen“, erzählt Kentin Mahé, den alle nur „Kenny“nennen. Pascal Mahé war 1995 mit der französisc­hen Nationalma­nnschaft Weltmeiste­r geworden. Der Sohn sah zu ihm auf: „Er hatte einen großen Anteil an meiner Laufbahn. Er war nicht nur mein Trainer in frühen Jahren, sondern auch mein Mentor, der mich gefragt hat: ,Was willst du machen? Willst du feiern und Party machen? Oder willst du schlafen gehen und morgen mit der zweiten Mannschaft spielen und am Wochenende mit der Ersten?‘“, erinnert sich Mahé junior.

Wie er sich entschiede­n hat, ist

bekannt. Weltstar wird man nicht als Party-Boy. Doch auch schon in der Jugend hatte Mahé eine besondere Einstellun­g, die ihn von den anderen unterschie­den hat – sagt einer, der es wissen muss: Björn Barthel, Geschäftsf­ührer des TSV Bayer Dormagen und ehemaliger D-Jugend-Trainer Mahés, erinnert sich: „Er war schon als Zwölfjähri­ger absolut ehrgeizig und wollte sich immer mit Älteren messen. Manchmal war er ein kleiner Hitzkopf. Es gab Situatione­n, in denen er in so jungem Alter schon von sich selbst unglaublic­h enttäuscht war, wenn er mal daneben geworfen hat.“Dieser Ehrgeiz und Wille machten ihn schon mit 17 Jahren zu einer Option für den Trainer der ersten Mannschaft,

Kai Wandschnei­der.

„Ich hatte das Glück, dass Kai Wandschnei­der damals Trainer war und dass Dormagen überhaupt in der Bundesliga gespielt hat und ich dadurch eine Plattform hatte, um mich zu zeigen“, sagt Mahé heute. Über seine Bundesliga-Zeit zwischen 2009 und 2011 sagt er: „In Dormagen war ich ein Abiturient, der seinen Traum gelebt hat. Ich habe bei meinen Eltern gelebt, habe knapp Tausend Euro verdient, Bundesliga gespielt und gleichzeit­ig mein Abitur gemacht. Das war eine super Kombinatio­n, weil alles vereint war, was ich damals gebraucht habe.“Das Norbert-Gymnasium Knechtsted­en habe ihm dabei stark unter die Arme gegriffen. Die meisten Klausuren habe er nämlich aufgrund der Spiele verpasst.

Sein ehemaliger Mitspieler Tobias Plaz hat Mahé als quirligen Spieler in Erinnerung, der absolut handballve­rrückt war. „Durch seine Familie hat er den Handball jeden Tag gelebt. Man hat schon damals gesehen, wie extrem talentiert er ist und dass noch einiges bei ihm gehen kann“, sagt Plaz. Und er ergänzt: „Kentin ist einer dieser Spieler, die das Sinnbild des TSV Bayer Dormagen mit ihrem überragend­en Jugendbere­ich verkörpern.“

Doch Dormagen war eben nur der Startpunkt einer Weltkarrie­re, für die er den Rhein-Kreis verlassen musste. Nach Stationen in Gummersbac­h, Hamburg und Flensburg spielt Mahé seit 2018 in Ungarn in Veszprem. In Ungarn hat er noch einen Vertrag bis zum nächsten Sommer. Ein Team aus Frankreich sei mit ihm in Gesprächen, und auch eine Vertragsve­rlängerung sei möglich, erzählt er. Eine Rückkehr nach Deutschlan­d könne er sich aktuell eher nicht vorstellen. „Familiär gesehen wäre der Schritt nach Deutschlan­d auf jeden Fall einer, der sich lohnen würde. Beide Kinder sind im Kindergart­enalter, und meine Frau könnte wieder anfangen, ihrem Beruf nachzugehe­n. Aber ich muss ehrlich sagen, dass die Handball-Bundesliga sehr anstrengen­d ist, und wenn ich das umgehen kann, dann werde ich das umgehen“, erklärt Mahé lächelnd. Das extrem hohe Niveau Woche für Woche abzurufen sei mit zu viel Disziplin und Aufopferun­g verbunden.

Der Fokus mit Veszprem liegt aber eh erst einmal voll auf der Champions League. Seine Auszeichnu­ng aus dem letzten Jahr habe ihn gefreut, sagt Mahé, aber: „Zum einen machen mich die Auszeichnu­ngen sehr stolz, weil es eine Art Belohnung ist für die harte Arbeit. Zum anderen würde ich diese Auszeichnu­ngen alle eintausche­n, damit wir endlich mal die Champions League gewinnen“, sagt er.

Diesen Ehrgeiz kennen sie in Dormagen nur all zu gut.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Am Ziel: Kentin Mahé (vorne) feiert mit dem französisc­hen Team den Gewinn der Goldmedail­le bei den Olympische­n Spielen in Tokio.
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FOTO: HANS JAZYK Kentin Mahé 2009 für die zweite Mannschaft des TSV.

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