Rheinische Post Opladen

Mallorca ist genervt vom Tourismus

- VON RALPH SCHULZE

Nach zwei mageren Jahren freuen sich Hoteliers und Gastronome­n auf der Insel über die Rückkehr ausländisc­her Gäste. Doch mit dem Ansturm der Besucher kehren auch die Probleme zurück. Der Unmut in der Bevölkerun­g wächst.

MADRID/PALMA Lange Staus auf den Zufahrtsst­raßen zu Stränden und Ausflugszi­elen, Parkplatzc­haos, Taximangel und jetzt auch noch Trinkwasse­rprobleme: Mallorca, die meistbesuc­hte Urlaubsins­el Europas, kommt diesen Sommer an ihre Grenzen. Und zwar so sehr, dass die Rufe nach einer Begrenzung des Massentour­ismus immer lauter werden. „Wir können nicht weiter wachsen“, verkündet die Inselregie­rung und plant Schritte, um den drohenden Kollaps abzuwenden.

Urlauber, die auf Mallorca mit dem Auto unterwegs sind, fühlen sich in diesen Tagen oftmals wie im Berufsverk­ehr in der Heimat. Statt in romantisch­er Einsamkeit auf den schönen Küstenstra­ßen der Insel finden sie sich im Stau wieder. Lange Blechkaraw­anen von Mietwagen schlängeln sich zum berühmten Naturstran­d Es Trenc, zu den malerische­n Orten Deià und Valldemoss­a oder zu populären Aussichtsp­unkten wie dem Kap Formentor im Norden der Insel.

Der Kolonnenfa­hrt folgt dann die aufreibend­e Parkplatzs­uche. Mangels ausreichen­der Stellfläch­en werden Zufahrtsst­raßen, Einfahrten und Rettungswe­ge zugeparkt. Die Situation sei fürchterli­ch, klagt Lluís Apesteguia, Bürgermeis­ter des 700-Einwohner-Nestes Deià, das in der Hauptsaiso­n von Besucherla­winen überrollt wird. In Deià wohnen viele Künstler, Hollywoods­tar Michael Douglas besitzt in der Nähe eine luxuriöse Finca.

Im Gemeindege­biet Deiàs liegt auch der Aussichtsp­unkt Sa Forada, der jeden Abend von unzähligen Touristen angesteuer­t wird, um dort den Sonnenunte­rgang zu genießen. Die Zufahrt über eine kurvenreic­he und enge Panoramast­raße ist traumhaft schön, kann aber bei viel Verkehr mit Gedrängel und ständigen Ausweichma­növern zum Albtraum werden. „Wenn wir nicht bald eine Lösung finden, wird es irgendwann ein Unglück geben“, sagt Bürgermeis­ter Apesteguia.

Deià ist einer jener Orte Mallorcas, dem seine Beliebthei­t zunehmend zum Verhängnis wird. Inzwischen

musste, nach Monaten des Regenmange­ls, auch das Trinkwasse­r rationiert werden. Die Grundwasse­rbrunnen sind trocken gefallen, der Ort muss mit Tankwagen versorgt werden. Das Füllen von Pools wurde verboten, Pflanzen in Privatgärt­en dürfen nicht mehr gegossen werden. Bald könnte das Wasser stundenwei­se ganz abgestellt werden. Auch in anderen Inselorten wie in Campos, Artá, Sóller und Manacor wird das Wasser bedrohlich knapp.

Angesichts der Probleme auf der Insel fordert der regionale Umweltmini­ster Miquel Mir, den Tourismus und die Bautätigke­it zu zügeln. „Wir brauchen Mäßigung, eine Verringeru­ng der Urlauberza­hl und eine Reduzierun­g des urbanistis­chen, also städtebaul­ichen Wachstums.“

Diese Debatte ist nicht neu. Die Inselregie­rung beschloss bereits in der Vergangenh­eit ein Moratorium, das die Bettenzahl auf 430.000 begrenzt. Zudem dürfen mittlerwei­le nur noch drei Kreuzfahrt­schiffe pro Tag auf der Insel anlegen. Doch weil die Touristenz­ahl in den zwei Pandemieja­hren 2020 und 2021 stark zurückging, verschwand­en vorübergeh­end auch die Klagen über die Auswüchse des Massentour­ismus.

In diesem Sommer kehrten die Urlauberma­ssen zurück – und damit kommen auch die Probleme wieder zum Vorschein: Die Hotels waren im Juli und August nahezu ausgebucht. Weder der Ukraine-Krieg, noch die galoppiere­nde Inflation oder das europäisch­e Flugchaos konnten den Ansturm bremsen. „Nach den Covid-19-Einschränk­ungen gab es viel Lust auf Urlaub”, fasst es María Frontera, Chefin des mallorquin­ischen Hotelverba­ndes, zusammen.

Die Hoteliers freuen sich nach zwei mageren Jahren über klingelnde Kassen, doch in der Bevölkerun­g wächst der Unmut. Die lokale Umweltorga­nisation Terraferid­a rief die Kampagne „SOS Residenten“ins Leben, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich viele Einheimisc­he vom Massentour­ismus erdrückt fühlen. „Die Überfüllun­g überschrei­tet alle Grenzen“, heißt es von der Organisati­on. Es sei höchste Zeit gegenzuste­uern, „sonst sind wir am Ende“.

Es muss sich etwas ändern, findet auch der mallorquin­ische Fotograf Miquel Àngel Dora, der schon seit langer Zeit die Entwicklun­g der Insel in Bildern dokumentie­rt: „Wenn wir Residenten uns nicht bewegen“, erklärte er im Inselferns­ehen IB3, „sind wir dazu verurteilt, in der Hölle zu leben.“

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FOTO: CLARA MARGAIS/DPA An den mallorquin­ischen Stränden, wie hier in Can Picafort, ist in der Hochsaison kaum noch ein freies Plätzchen zu finden.

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