Organspende muss öfter Thema sein
Organspende ist so lange ein abstrakter Begriff, bis es einen geliebten Menschen oder einen selbst betrifft. Verunsicherung, Verzweiflung, Zeitdruck nach schlimmen Diagnosen oder nach dem Tod eines Angehörigen zwingen zu Entscheidungen. Es geht dann plötzlich um Menschenleben und die Frage, inwieweit man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen – und für wen. Nach der jüngsten Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stehen 84 Prozent der Deutschen der Organspende grundsätzlich positiv gegenüber. Trotzdem gibt es in der Bundesrepublik nur rund eine Million registrierte potenzielle Spender. Und 2022 sank die Zahl der Organspender um 6,9 Prozent. Der häufigste Grund, warum die Organspenden nicht erfolgten, ist, dass die Einwilligung fehlte.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will deshalb einen neuen Versuch starten, die Widerspruchslösung einzuführen, die vor drei Jahren im Bundestag gescheitert ist. Damit würde jeder per se als Spender gelten, der nicht aktiv widersprochen hat. Für viele Menschen ist das zu rigoros, sie fürchten einen zu großen Eingriff in die Selbstbestimmtheit – einen Kontrollverlust nach dem eigenen Tod.
Die Widerspruchslösung in ihrer Absolutheit ist deshalb keine Lösung; auch eine Mehrheit dafür zeichnet sich nicht ab. Stattdessen sollte der Fokus noch stärker auf Aufklärung liegen: mit verpflichtenden Infotagen an weiterführenden Schulen oder Kooperationen von Arbeitgebern und Krankenversicherungen. Vor allem aber müssen die Hausarztpraxen stärker eingebunden werden. Ein regelmäßiges, verpflichtendes Beratungsgespräch sollte mach- und zumutbar sein. Hausärzte und -ärztinnen können bereits ein Beratungsgespräch alle zwei Jahre als Kassenleistung abrechnen – offenbar ohne großen Effekt. Ausschließlich auf Freiwilligkeit zu setzen, kann auch nicht die Lösung sein.