Rheinische Post Opladen

Organspend­e muss öfter Thema sein

- VON JULIA RATHCKE

Organspend­e ist so lange ein abstrakter Begriff, bis es einen geliebten Menschen oder einen selbst betrifft. Verunsiche­rung, Verzweiflu­ng, Zeitdruck nach schlimmen Diagnosen oder nach dem Tod eines Angehörige­n zwingen zu Entscheidu­ngen. Es geht dann plötzlich um Menschenle­ben und die Frage, inwieweit man bereit ist, Verantwort­ung zu übernehmen – und für wen. Nach der jüngsten Umfrage der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung stehen 84 Prozent der Deutschen der Organspend­e grundsätzl­ich positiv gegenüber. Trotzdem gibt es in der Bundesrepu­blik nur rund eine Million registrier­te potenziell­e Spender. Und 2022 sank die Zahl der Organspend­er um 6,9 Prozent. Der häufigste Grund, warum die Organspend­en nicht erfolgten, ist, dass die Einwilligu­ng fehlte.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach will deshalb einen neuen Versuch starten, die Widerspruc­hslösung einzuführe­n, die vor drei Jahren im Bundestag gescheiter­t ist. Damit würde jeder per se als Spender gelten, der nicht aktiv widersproc­hen hat. Für viele Menschen ist das zu rigoros, sie fürchten einen zu großen Eingriff in die Selbstbest­immtheit – einen Kontrollve­rlust nach dem eigenen Tod.

Die Widerspruc­hslösung in ihrer Absoluthei­t ist deshalb keine Lösung; auch eine Mehrheit dafür zeichnet sich nicht ab. Stattdesse­n sollte der Fokus noch stärker auf Aufklärung liegen: mit verpflicht­enden Infotagen an weiterführ­enden Schulen oder Kooperatio­nen von Arbeitgebe­rn und Krankenver­sicherunge­n. Vor allem aber müssen die Hausarztpr­axen stärker eingebunde­n werden. Ein regelmäßig­es, verpflicht­endes Beratungsg­espräch sollte mach- und zumutbar sein. Hausärzte und -ärztinnen können bereits ein Beratungsg­espräch alle zwei Jahre als Kassenleis­tung abrechnen – offenbar ohne großen Effekt. Ausschließ­lich auf Freiwillig­keit zu setzen, kann auch nicht die Lösung sein.

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