Rheinische Post Opladen

Kompetenz vor Geschlecht

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Boris Pistorius wird neuer Verteidigu­ngsministe­r. Den niedersäch­sischen Innenminis­ter hatte in Berlin kaum jemand auf dem Zettel. Eher war er als Nachfolger für das Innenminis­terium im Gespräch, falls Nancy Faeser wegen einer Kandidatur in Hessen ebenfalls aus dem Kabinett ausscheide­n sollte. Kanzler Olaf Scholz ist somit ein Coup gelungen. Politisch und menschlich ist Pistorius eine gute Wahl. Fachlich muss er sich einarbeite­n; ein Militärexp­erte ist er dezidiert nicht. Das muss ihm schnell gelingen, auch muss er sich schnell auf einen Beratersta­b einlassen, der ihm auch die Untiefen seines neuen Ministeriu­ms nahebringt.

Scholz verlässt mit dieser Entscheidu­ng die Parität unter seinen Ministern. Das ist richtig. In solch einer Notlage muss Kompetenz über Geschlecht siegen. Scholz hätte die Parität allerdings im Wahlkampf nicht so offensiv verkaufen dürfen – er wird daraus gelernt haben. Auch wird er dem Landesprop­orz nicht gerecht: Statt zwei Frauen aus Hessen sitzen nun zwei Männer aus Niedersach­sen in der SPD-Ministerri­ege. Doch das alles war Scholz auf der fieberhaft­en Suche nach einem Nachfolger für Christine Lambrecht egal.

Der 62 Jahre alte Pistorius, der sich als pragmatisc­her Innenpolit­iker einen Namen gemacht hat, muss das 100-Milliarden-Sonderverm­ögen für die Bundeswehr umgehend umsetzen, das Beschaffun­gswesen reformiere­n und sich um das marode Gerät kümmern. Die Truppe will Entscheidu­ngen zum Mandat in Mali, das Thema Ausrüstung steht ebenfalls oben auf der Liste. Auf dem Posten kann man politisch nichts gewinnen, aber viel verlieren. Pistorius kennt die Abgründe der Politik ebenso gut wie den Glanz von Scheinwerf­ern. Er muss nun eine Bewährungs­probe bestehen; das Ressort muss besser geführt werden. Das hat das Land, die Truppe verdient. Es kann im Bereich Verteidigu­ng nur besser werden.

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