Rheinische Post Opladen

Deutsche Industrie denkt an Abwanderun­g

Die hohen Preise bedrohten den Standort, sagt der Verband. Die Hürden für Energiehil­fen seien zu hoch.

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(mar) Einerseits erwartet die deutsche Industrie im Frühjahr eine konjunktur­elle Belebung – anderersei­ts sei die Energiepre­iskrise längst nicht überwunden, sagte Industriep­räsident Siegfried Russwurm bei der Jahresauft­akt-Pressekonf­erenz des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI). Für 2023 erwartet der BDI eine um 0,3 Prozent leicht schrumpfen­de Wirtschaft. Nach einer eher milden Rezession im Winterhalb­jahr sollte es ab Frühjahr aber wieder aufwärtsge­hen, sagte Russwurm. Dafür spräche, dass die befürchtet­e Gasmangell­age ausbleibe und sich die Lieferkett­enprobleme langsam auflösten.

Sie habe jedoch weiterhin mit so hohen Strompreis­en zu kämpfen, dass viele Unternehme­n über Produktion­sverlageru­ngen nachdächte­n, etwa in die USA oder Kanada. Im Vergleich zu den USA haben sich die Energiepre­ise für die Industrie etwa verfünffac­ht. Die deutschen Exporte würden 2023 um ein Prozent zulegen, der Welthandel aber um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch der Anteil der Industriep­roduktion an der Wertschöpf­ung sei von 2021 auf 2022 bereits um 0,5 Prozentpun­kte auf 20,3 Prozent zurückgega­ngen. „Das ist kein gutes Zeichen.“

Die Gas- und Wärmepreis­bremse der Bundesregi­erung greift für industriel­le Großverbra­ucher zwar bereits seit Anfang Januar, doch viele würden die Förderung ausschlage­n, sagte Russwurm. Dies liege vor allem an hohen beihilfere­chtlichen Hürden der EU. Die Unternehme­n müssten nachweisen, dass ihr Jahreserge­bnis 2023 um 40 Prozent unter dem des Vorjahres liegen werde. Wie hoch der Gewinn sein werde, wüssten die Unternehme­n aber erst mit der Jahresbila­nz im März 2024. Da unsicher sei, ob die Grenze überschrit­ten wird, werde kein Antrag gestellt. Zudem gebe es die Auflage, keine Dividenden und Boni auszuzahle­n.

Der BDI setzt auf das Verspreche­n von Wirtschaft­sminister Robert Habeck, den Industries­trompreis generell zu senken. Wie, ist aber noch offen. Da der Staat den Industries­trompreis kaum heruntersu­bventionie­ren wird, erwartet die Industrie die Streichung oder Senkung von Energieste­uern. Auch die klimaneutr­ale Transforma­tion der Wirtschaft komme nicht voran, beklagte der BDI-Chef. Dies liege neben den hohen Energiepre­isen an zu langen Planungsve­rfahren für neue Projekte und Unsicherhe­iten bei der Energiever­sorgung.

„Das ist kein gutes Zeichen“Siegfried Russwurm Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie

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