Rheinische Post Opladen

Zverev kämpft sich in Runde zwei

Der Tennisstar steht zum Start der Australian Open im vierten Satz schon vor dem Aus. Dann schafft er doch noch die Wende.

- VON JÖRG SOLDWISCH

(dpa) Kaum hatte Alexander Zverev eine Auftaktple­ite bei seinem Grand-Slam-Comeback nach einem Kraftakt verhindert, ließ er seinen Gefühlen in einem sekundenla­ngen Urschrei freien Lauf. Erleichter­ung, Freude und wohl auch etwas Frust – die unterschie­dlichsten Emotionen mussten in diesem Moment raus. „Ich bin extrem glücklich, das habe ich in den letzten sieben Monaten vermisst“, sagte der Tennis-Olympiasie­ger unmittelba­r nach seinem hart erkämpften Auftaktsie­g bei den Australian Open am Dienstag: „Egal, was jetzt noch kommt: Das Turnier ist bereits ein Erfolg für mich.“

Nach der langen Leidenszei­t wegen seiner schweren Fußverletz­ung im French-Open-Halbfinale war der Erstrunden­sieg in Melbourne gegen den aufmüpfige­n Qualifikan­ten Juan Pablo Varillas aus Peru für Zverev ein enorm wichtiger Schritt zurück zu alter Stärke. „Ich bin sehr zufrieden, das war mein erster Sieg nach der Verletzung“, sagte der Hamburger nach dem 4:6, 6:1, 5:7, 7:6 (7:3) und 6:4 mit vielen Höhen und Tiefen in dem vierstündi­gen Match.

Als erster deutscher Spieler meisterte Zverev beim diesjährig­en Hartplatz-Turnier die Auftakthür­de, vor ihm waren sieben Profis gescheiter­t. In der zweiten Runde am Donnerstag trifft er auf den Franzosen Laurent Lokoli oder den US-Amerikaner Michael Mmoh. Auch hier hätte es Zverev schlimmer treffen können, denn am Dienstag sagte der Weltrangli­sten-50. David Goffin aus Belgien kurzfristi­g erkrankt ab. Für ihn rückte Mmoh als Lucky Loser aus der Qualifikat­ion nach. In jedem Fall wartet eine machbare Aufgabe.

Doch Zverev weiß nicht, wie er das Fünf-Satz-Match von Dienstag verkraften wird. „Ich bin von der Fitness noch nicht da, wo ich war. Es

kann aber auch sein, dass ich mich selber überrasche“, sagte der Australian-Open-Halbfinali­st von 2020 bei Eurosport. Körperlich fühle er sich aber deutlich besser als noch während seiner zwei Niederlage­n rund um den Jahreswech­sel beim United Cup in Sydney: „Da war ich nach zwei Ballwechse­ln gefühlt tot.“Er müsse nun regenerier­en und vor allem seinen Fuß „in den Griff bekommen“.

Der habe zum Start in sein Lieblingst­urnier keine Probleme gemacht, betonte Zverev: „Mein Fuß ist gesund.“Dieser Fakt und der Sieg würden Zverev „mehr Selbstvert­rauen“geben, glaubt auch Eurosport-Experte Boris Becker: „Das ist die wichtigste Botschaft. Der Gegner ist momentan egal. Er ist selbst sein größter Gegner aufgrund der langen Verletzung­spause.“Zverev hatte Glück, dass sein Auftakt in

der überdachte­n und klimatisie­rten Margaret Court Arena stattfand. Auf den Außenplätz­en war der Spielbetri­eb für rund drei Stunden unterbroch­en, weil die offizielle „Hitze-Stress-Skala“die höchste Stufe erreicht hatte. Auf der Anlage des Melbourne Parks wurden Temperatur­en von über 35 Grad gemessen. Später am Abend setzte starker Regen ein – erneut wurde der Spielbetri­eb gestoppt.

Dazwischen konnte das Match von Jan-Lennard Struff beendet werden, der 32-Jährige verlor gegen den US-Amerikaner Tommy Paul mit 1:6, 6:7 (6:8) und 2:6. Die Erstrunden­spiele von Wimbledon-Halbfinali­stin Tatjana Maria und Laura Siegemund verzögerte­n sich dagegen zunächst und wurden dann auf den heutigen Mittwoch verschoben.

Zverev war die fehlende Wettkampfp­raxis zunächst anzumerken.

Schon im ersten Satz bereitete der Aufschlag Probleme, die Vorhand hatte eine zu große Streuung und auch die Beinarbeit ließ zu wünschen übrig. Zwischendu­rch stemmte er die Hand in die Hüfte und schaute verzweifel­t in Richtung seiner Box. Dort saß unter anderem Freundin Sophia Thomalla, auch Basketball-Ikone Dirk Nowitzki schaute auf der Tribüne zu.

Der peruanisch­e Sandplatz-Spezialist Varillas spielte unbekümmer­t auf und verwandelt­e mit einem rotzfreche­n Stopp seinen zweiten Satzball. Doch direkt danach legte Zverev den Schalter um. Mit drei Assen in Folge eröffnete er den zweiten Durchgang, nach dem ersten Break zeigte er die Siegerfaus­t und schrie „Come on!“.

Zverev lag auch im dritten Satz vorne – doch dann schlichen sich wieder Fehler ein, er musste dreimal seinen eigenen Aufschlag und damit auch den Satz abgeben. Danach war Zverev als Kämpfer gefragt, und diese Aufgabe nahm er glänzend an.

 ?? FOTO: FRANK MOLTER/DPA ?? Alexander Zverev musste gegen Juan Pablo Varillas alles geben. Der Gegner setzte den Deutschen immer wieder unter Druck und lag vorne.
FOTO: FRANK MOLTER/DPA Alexander Zverev musste gegen Juan Pablo Varillas alles geben. Der Gegner setzte den Deutschen immer wieder unter Druck und lag vorne.

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