Steuerbetrug per Zettelwirtschaft
Der mutmaßliche Zwei-Mio.-Euro-Hinterzieher hat viel notiert – vermutlich viel Falsches.
Mehr als die Hälfte der angesetzten zehn Verhandlungstage hat die 12. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts bereits absolviert. Fast kommt schon so etwas wie eine familiäre Atmosphäre auf, wenn der Vorsitzende Richter die Beteiligten im Verfahren gegen einen Leverkusener Unternehmer erst einmal danach fragt, wie sie das Wochenende verbracht haben.
Aber auch in der Sache geht es voran: Mit der Vernehmung von Zeugen, Experten vom Zoll und der Rentenversicherung, kommt immer mehr Licht ins Dunkel der Geschäfte des 39-Jährigen, der mit seiner Trockenbaufirma laut Staatsanwaltschaft mehreren Abgabenstellen mehr als zwei Millionen Euro vorenthalten haben soll – dem Finanzamt, der Renten- und Arbeitslosenversicherung und den Krankenkassen.
Dass es auf Baustellen nicht immer vorschriftsmäßig zugeht, davon zeugen Razzien von Ermittlungsbehörden. Aber auch im Kleinen wird viel geschachert, wenn man die Aussagen von Bau- und Hilfsarbeitern,
Baufirmen oder einfach nur eines Projektleiters richtig interpretiert.
Da werden zwar Aufträge ausgeschrieben, den Zuschlag erhält aber nicht immer der billigste Bewerber, sondern oft das Subunternehmen, mit dem man bislang gute Erfahrungen gemacht hat. Im vorliegenden Fall war es so: Der Projektleiter, gewissermaßen der zentrale Mann auf der Baustelle, war bei der Abnahme der geleisteten Arbeiten immer wieder damit konfrontiert, dass der Trockenbauer im Nachhinein meinte, der Aufwand sei doch größer gewesen als gedacht und ein höherer Preis gerechtfertigt.
Und da kommen dann die Aufzeichnungen des Angeklagten, der als Subunternehmer fungierte, ins Spiel, „meistens irgendwelche Zettel“, wie der Projektleiter meinte, über geleistete Arbeitsstunden. Die aber laut Anklage zu den gezahlten Löhnen kaum – wenn überhaupt – einen Bezug hatten. Immer wieder stellte der Vorsitzende Richter daher die Frage nach dem Sinn und Zweck der gefundenen Lohnzettel. Die Aufzeichnungen über die Arbeitsstunden – ob nun tatsächlich geleistet und willkürlich festgesetzt – sind für den Staatsanwalt schließlich das zentrale Beweismittel.
Nach Angaben der Ermittler sind den Sozialversicherungen rund 1,3 Millionen Euro und dem Finanzamt etwa 955.000 Euro im Zeitraum Januar 2016 bis Oktober 2020 vorenthalten worden. Alles berechnet auf Grundlage dieser ominösen „Stundenzettel“. Andere Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeiten hat der Zoll bei seiner Razzia Anfang November 2020 nicht gefunden. Da eigentlich nach Quadratmetern bezahlt wurde, ein Vorgehen, das bei den Trockenbauern offensichtlich eher die Regel ist, blieb den Ermittlern nichts anderes übrig, als die Stundenzettel auszuwerten.
Alles übrigens auf Grundlage der Steuerklasse VI. Dabei gingen die Fahnder davon aus, dass die Arbeiten für den Opladener Trockenbauer im Rahmen eines Zweit-Jobs ausgeführt wurden. Die Überprüfung war mühsam, die Sichtung der Stundenzettel habe mindestens zwei Wochen gedauert, so der Ermittler. Die Richter hatten eigens extragroße Computerbildschirme aufgebaut, um nicht den Überblick zu verlieren. Der Prozess wird fortgesetzt.