Die blockierte Republik
Es ist wieder so weit: Die GDL ruft die Lokführer zum Streik – und das gleich für sechs Tage. Claus Weselsky lässt in seinem letzten Jahr an der Spitze der Gewerkschaft die Puppen noch mal richtig tanzen. Pendler kommen nicht zur Arbeit, Studierende nicht nach Hause, Wochenendtouristen nicht ans Ziel. Weselsky lässt sie alle leiden. Das ist umso rücksichtsloser, als es auch bei den Alternativen klemmt: Allein in NRW sind mehrere Autobahnbrücken gesperrt, wie etwa auf der A1, A43 und A45, was den Individualverkehr weiter in die überlasteten Städte presst. Längst nennen Betriebe die marode Verkehrsinfrastruktur als großen Standort-Nachteil für Deutschland. Doch anstatt das Problem anzupacken, streiten sich Verkehrsminister von Bund und Ländern seit Monaten über das 49-Euro-Ticket. Das ist zu wenig, auch für den Klimaschutz.
Das Streikrecht ist ein hohes Gut, Ausstände müssen aber verhältnismäßig sein. Der GDL-Streik ist gemessen an Umfang und Verhandlungsstand maßlos. Die Bahn ist ja bereit, über die Arbeitszeit zu sprechen. Tarifverhandlung bedeutet Kompromiss, nicht Diktat. Gleichwohl müssen sich Bahn und Politik auch an die eigene Nase fassen. Indem der Bahn-Vorstand sich Boni trotz notorischer Unpünktlichkeit zahlen lässt, sendet er das falsche Signal: Statt gemeinsam die Bahn besser zu machen, holt hier jeder für sich raus, was er kann. Um die Macht der kleinen Gewerkschaften zu brechen, hatte der Bund einst das Tarifeinheitsgesetz erlassen, wonach „ein Betrieb, eine Gewerkschaft“gelten soll. Doch das Schwert erwies sich als stumpf. Der Staat könnte es schärfen – indem er für kritische Infrastruktur eine Schlichtung vorschreibt. Ein Kita- oder Bahnstreik belastet – anders als einer beim Stahl – viele Unbeteiligte. Weselsky lehnt eine Schlichtung ab. Der Rambo an der GDL-Spitze missbraucht die Tarifrunde für seine persönliche Abschiedsshow.