Rheinische Post Opladen

Rote Karte für Bettler

In der Schweiz schränken viele Orte das Betteln stark ein. Der Grenzkanto­n Basel-Stadt weist nun sogar Menschen aus Osteuropa aus, wenn sie auf der Straße nach Geld fragen. Kritiker fürchten, das andere Kommunen folgen könnten.

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GENF Die wohlhabend­e Schweiz ist kein gutes Pflaster für Bettlerinn­en und Bettler: Die meisten Kantone schränken das Betteln stark ein – oder untersagen es. In Zürich, dem größten Kanton des Landes, ist Betteln grundsätzl­ich verboten. Seit einigen Monaten nun geht der Grenzkanto­n Basel-Stadt noch einen Schritt weiter: Die Behörden weisen bettelnde Ausländer ohne gültige Aufenthalt­serlaubnis aus der Eidgenosse­nschaft aus. Die „Wegweisung­en“treffen zumal bettelnde Menschen aus Osteuropa. Damit will der Kanton gegen das bandenmäßi­ge und aggressive Betteln vorgehen, das viele Baslerinne­n und Basler beängstigt.

Schon 2021 schlug die Wirtschaft­sund Kunstmetro­pole am Rhein einen harten Kurs gegen Bettler ein – ein ausgedehnt­es Bettelverb­ot trat in Kraft. Das Verbot gilt innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Bahnhöfen, Geschäften, Banken, Museen, öffentlich­en Gebäuden, Gastronomi­ebetrieben und Haltestell­en. Ebenso ist auf Märkten, in Parks, Gärten, auf Friedhöfen, Spielplätz­en, an Schulen und Unterführu­ngen das Bitten um Geld untersagt. „Die Anzahl bettelnder Personen hat sich seit der Einführung des ausgedehnt­en Bettelverb­ots sowie seit der Praxisände­rung bei Personen ohne gültigen Aufenthalt­stitel stark verringert“, sagt Rahel Walser vom Justiz- und Sicherheit­sdeparteme­nt des Kantons. Vor allem schrumpfte die osteuropäi­sche Bettlerpop­ulation in Basel stark. Innerhalb weniger Monate ging sie laut Recherchen des Schweizer Senders SRF von 170 auf 15 bis 20 zurück.

Die Behörden in Basel berufen sich bei den Wegweisung­en von Bettlern auf ein Urteil des Bundesgeri­chts, der obersten helvetisch­en Justizinst­anz. „Mittellose Personen

Eine obdachlose Person mit Schlafsack und Sammelbech­er in der Schweiz.

spielen sie auf Audiogerät­en in der entspreche­nden Landesspra­che ab, da viele Bettler des Deutschen nicht mächtig sind. „Erst wenn diese der Aufforderu­ng nicht nachkommen, werden sie per Verfügung vom Migrations­amt weggewiese­n“, heißt es. Verlassen die Weggewiese­nen das Land immer noch nicht, droht ihnen Haft. Anschließe­nd warten eine zwanghafte „Ausschaffu­ng“und eine Einreisesp­erre auf sie.

Rechtsanwa­lt Christian von Wartburg legt das Urteil des Bundesgeri­chts jedoch anders aus: „Bürger aus dem Schengenra­um, zu dem die meisten Länder der EU gehören, dürfen frei in die Schweiz einreisen“, sagt das Mitglied der demokratis­chen Juristinne­n und Juristen der Schweiz. „Nur weil sie betteln, können wir sie nicht wegweisen.“Eine abschließe­nde Klärung müsse vor Gericht erfolgen, erklärt der Jurist. Allerdings findet sich kein Beschwerde­führer unter den Bettlern. Sie sind entweder weggewiese­n worden oder wollen sich keinen Ärger mit der Schweizer Justiz einhandeln.

Die Schweizer Bundesstad­t Bern greift schon seit Jahren hart gegen bettelnde Ausländer durch – Wegweisung inbegriffe­n. Dabei schießen die Behörden laut dem Streetwork­er Michel Steiner vom Verein „Schwarzer Peter“über das Ziel hinaus: „Es ist beschönige­nd, zu behaupten, es gehe dabei ums Betteln. Es werden generell viele Menschen mit einem Verbot belegt, einfach weil sie das gewünschte Stadtbild stören“, sagt Steiner im SRF.

Kritiker befürchten, dass die rigide Politik des „City Cleaning“in Basel-Stadt und Bern von weiteren Kantonen oder Kommunen kopiert werden könnte. Die Schweiz dürfte dann noch ungemütlic­her für Menschen am unteren Rand der Gesellscha­ft werden. „Die Behörden sorgen mit sehr harten Mitteln dafür, dass Armut unsichtbar wird“, erklärt Rechtsanwa­lt von Wartburg. „Die Bettler tauchen dann an anderen Stellen auf.“Der Sozialdemo­krat von Wartburg und Vertreter anderer linker Parteien plädieren für eine „Art Hausordnun­g für das Betteln“. Bettelnde aus dem In- und Ausland sollten mit leichtem Druck zu sozial verträglic­hen Verhaltens­weisen veranlasst werden. Von Wartburg weist darauf hin, dass die Bettelei durch das Grundrecht auf Meinungsfr­eiheit gedeckt sei: „Jedem Menschen ist es erlaubt, auf seine prekäre Lage aufmerksam zu machen und andere Menschen um Hilfe zu bitten.“

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FOTO: PIUS KOLLER/IMAGO

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