Minister zu Gast bei Unternehmern
Beim „Zukunftstag Mittelstand“war unter anderem die Lieferkettenrichtlinie Thema.
Beistandsbekundungen sind eine Rarität für den FDP-Vorsitzenden. Vielleicht ist Christian Lindner auch deshalb überrascht von den netten Worten, die der Chef des Wirtschaftsverbands BVMW an diesem Mittwoch beim „Zukunftstag Mittelstand“für ihn findet. „Wir sind Ihnen so was von dankbar“, sagt Christoph Ahlhaus, der Chef des Verbands „Der Mittelstand“, wie sich der Verein BVMW heute nennt. Dankbar sei man dafür, dass die FDP in der Ampel-Regierung und in der EU regelmäßig noch Schlimmeres verhindere, sagt der frühere Hamburger CDU-Bürgermeister Ahlhaus. Dass die FDP zum Beispiel die EU-Lieferkettenrichtlinie blockiert habe, die für die Unternehmen deutlich mehr Bürokratie bedeutet hätte.
Lindner bedankt sich bei Ahlhaus für die „geradezu karitativen Worte“in Richtung der Liberalen. 5000 Unternehmer hat der Verband in der „Station Berlin“, einem ehemaligen Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg, versammelt. Nach Lindner treten auch noch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bei den Mittelständlern
auf. Die Regierung hat verstanden, dass sie die Nöte der Unternehmer noch ernster nehmen muss. Auch deshalb haben Habeck und Lindner gemeinsam Vertreter der führenden Wirtschaftsverbände am selben Tag zu einem vertraulichen Gespräch über Standortnachteile ins Wirtschaftsministerium eingeladen.
Vor allem Lindner spricht den Mittelständlern aus dem Herzen, wie häufiger Zwischenapplaus zeigt.
Der Finanzminister sagt, der Sozialstaat sei im vergangenen Jahrzehnt zu sehr ausgebaut worden. Er deutet auch an, dass hier gekürzt werden müsse, um auf der anderen Seite nötige Entlastungen für Investoren und Unternehmen gegenzufinanzieren.
Das Bundesverfassungsgericht werde sich voraussichtlich noch in diesem Jahr mit einer Klage von sechs FDP-Abgeordneten gegen den Soli befassen, sagt der FDP-Chef. „Wir sollten nicht die verfassungsrechtliche Klärung aus Karlsruhe abwarten, ob der Solidaritätszuschlag entfallen soll“, so Lindner: „Ich würde gerne politisch entscheiden, dass wir den Einstieg in den Ausstieg beim Solidaritätszuschlag beginnen.“Die Hürden in der Koalition dafür seien aber hoch. „Politisch wie ökonomisch spricht alles dafür“, sagt er. Doch „jeder Euro, auf den ich verzichte wegen Steuerentlastung, kann nicht gleichzeitig für andere Aufgaben, Subventionen oder Sozialprogramme eingesetzt werden“. Die Rente mit 63 etwa würde Lindner gerne abschaffen. Doch auch hier ist klar, dass das mit der SPD nicht zu machen ist, wie Hubertus Heil wenig später signalisiert. Für die Mittelständler wird einmal mehr klar: Der Einfluss der FDP in der Regierung hat auch seine Grenzen.