Neue Fenster für Notre-Dame
Modern oder traditionell? Um die Art der Renovierung ist in Frankreich eine Debatte entbrannt.
(afp) Die bei einem Großbrand 2019 stark beschädigte Pariser Kathedrale Notre-Dame soll sechs zeitgenössische Fenster bekommen. Das französische Kulturministerium hatte eine Kommission eingesetzt, die nach einer Ausschreibung den Künstler oder die Künstlerin und die Glaswerkstatt bestimmen soll. Zu den 20 Mitgliedern zählen unter anderem Restauratoren, Künstler, Vertreter des Staates und der Diözese.
Das durch die Kommission ausgewählte Modell soll zur Wiedereröffnung der Kathedrale im Dezember vorgestellt werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der Pariser Erzbischof Laurent Ulrich hatten sich beide für den Einbau zeitgenössischer Fenster ausgesprochen.
Die sechs Fenster sollen in die Seitenkapellen auf der Südseite der Kathedrale eingebaut werden. Dort befanden sich bislang Fenster aus dem 19. Jahrhundert, die der Architekt Eugène Viollet-Le-Duc im mittelalterlichen Stil entworfen hatte.
Eine Gruppe von Kunsthistorikern will das Vorhaben allerdings stoppen. „Macron will Notre-Dame den Stempel des 21. Jahrhunderts aufdrücken. Ein wenig Bescheidenheit wäre angebracht“, heißt es in einer Petition, die bislang von knapp 138.000 Menschen unterzeichnet wurde.
Macron hatte sich schon zuvor offen gezeigt, den bei dem Brand 2019 vom Dach gestürzten Spitzturm durch eine moderne Konstruktion zu ersetzen. Nach heftigem Widerstand hatte er den Plan jedoch aufgegeben. Die modernen Fenster könnten daher ein „Trostpflaster“für Macron sein, der sich bei der Restaurierung des Monumentes auch selber verewigen wolle, mutmaßt die Zeitung „Le Figaro“.
Nach dem Brand war entschieden worden, dass die stark beschädigte Kathedrale originalgetreu wieder aufgebaut werden sollte. Dies schreibt auch die Charta von Venedig vor, eine wichtige Richtlinie für Denkmalpflege und Restaurierung.
Tatsächlich hat die Kathedrale auch nach der Renovierung von Viollet-Le-Duc schon mehrfach neue Fenster bekommen, unter anderem in den 1960er-Jahren. Vier von diesen Fenstern des Glaskünstlers Jacques Le Chevallier waren nach dem Brand in der Kölner Dombauhütte gereinigt und restauriert worden.
Unterdessen ist die Silhouette der Kathedrale im Pariser Stadtbild fast wieder hergestellt. Der neue Spitzturm ragt seit Ende Dezember in den Himmel, die Arbeiten am Dachstuhl gehen voran. Im Inneren sind die Gerüste weitgehend abgebaut.
Die Pariser Kathedrale, die als Meisterwerk der Frühgotik gilt, soll am 8. Dezember, einem katholischen Marienfeiertag, wiedereröffnet werden. Macron hatte nach dem Brand versprochen, die Kirche innerhalb von fünf Jahren wieder aufbauen zu lassen – und verweist gern auf die erfolgreiche Restaurierung als Beweis französischer Schaffenskraft.
Da sich die Kathedrale wie alle vor 1905 gebauten Kirchen im französischen Staatsbesitz befindet, hatte die katholische Kirche bei der Restaurierung kaum mitzureden. Auf dem Gelände eines nahe gelegenen historischen Krankenhauses soll künftig ein Museum zur Geschichte der Kathedrale eingerichtet werden. Dies soll auch helfen, die Besucherströme zu bewältigen. Vor dem Brand besuchten im Schnitt zwölf Millionen Menschen pro Jahr die Kathedrale.