Brandstiftung – Polizei sucht Mörder
Das Feuer in einem Mehrfamilienhaus in Solingen mit vier Toten wurde vorsätzlich gelegt. Das teilte die Staatsanwaltschaft mit. Hinweise auf ein fremdenfeindliches Motiv liegen derzeit nicht vor.
Es ist eine dramatische Wendung. Nachdem bei einem verheerenden Feuer in einem Haus an der Grünewalder Straße im Stadtteil Höhscheid in der Nacht zu Montag vier Menschen getötet worden sind und 21 andere Personen zum Teil lebensgefährliche Verletzungen erlitten haben, gehen die Ermittler inzwischen davon aus, dass der Brand vorsätzlich gelegt worden ist. Das hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal am Mittwoch im Rahmen einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz bekannt gegeben.
„Es wird mittlerweile wegen Mordes ermittelt“, sagte der zuständige Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt. So habe das vorläufige Brandgutachten eines Sachverständigen ergeben, dass das Feuer im Holztreppenhaus des rund 100 Jahre alten Gebäudes mit Absicht gelegt worden sei. „Im Treppenhaus sind deutliche Spuren eines Brandbeschleunigers gefunden worden“, konkretisierte Kaune-Gebhardt, der nach augenblicklichen Stand der Ermittlungen davon ausgeht, dass sich die Flammen in nur wenigen Minuten bis in das Dachgeschoss ausgebreitet und den dort lebenden Bewohnern keinerlei Chance mehr zur Flucht gelassen haben.
Zwar gelte es noch die endgültigen Ergebnisse der Identifizierung abzuwarten, hieß es einschränkend vonseiten der Staatsanwaltschaft. Allerdings gehen die zuständigen Ermittler der Polizei nunmehr fest davon aus, dass es sich bei den Toten im Obergeschoss – wie schon vermutet – um eine vierköpfige Familie handelt, die in der entsprechenden Wohnung in der vierten Etage des Hauses gemeldet gewesen ist.
„Die Familie stammt aus Bulgarien und besteht aus zwei Erwachsenen im Alter von 28 beziehungsweise 29 Jahren sowie einem Kind von drei Jahren und einem fünf Monate alten Baby“, sagte Staatsanwalt Kaune-Gebhardt, der am Mittwoch ferner betonte, Hinweise zu einem fremdenfeindlichen Motiv lägen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Gleichwohl, so Heribert Kaune-Gebhardt, werde nach wie vor selbstverständlich in sämtliche
Richtungen ermittelt.
Die zwischenzeitlich bei der Kriminalpolizei eingerichtete Mordkommission „MK Grün“gehe weiterhin ergebnisoffen vor, unterstrich der Staatsanwalt in diesem Zusammenhang. Ein Tatverdacht gegen eine konkrete Person bestehe bislang jedoch noch nicht. „Weitere Einzelheiten zu den Tatumständen können aus ermittlungstaktischen Gründen aktuell nicht gegeben werden“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Dabei steht aber schon jetzt fest, dass sich in der Nacht von Sonntag auf Montag in dem Mehrfamilienhaus an der Grünewalder Straße entsetzliche Szenen abgespielt haben müssen. So liefen die ersten Notrufe bei Polizei und Feuerwehr schon kurz nach Ausbruch des Brandes gegen 2.30 Uhr ein. Doch muss es wohl schon zu diesem noch relativ
frühen Zeitpunkt insbesondere für die Bewohner im obersten Stockwerk wohl zu spät gewesen sein. Denn aufgrund eines sogenannten Kamineffekts hatten sich die Flammen in dem hölzernen Treppenhaus direkt nach der mutmaßlichen Brandstiftung anscheinend derart rasend ausgebreitet, sodass den vier Opfern aus der Familie am Ende keine Möglichkeit zur Flucht mehr geblieben sein dürfte.
Zwar befanden sich in dem Gebäude – entgegen zuerst geäußerten Vermutungen – durchaus Rauchmelder, die nach Angaben der Staatsanwaltschaft auch Alarm schlugen. So wurden die Bewohner aus dem Schlaf gerissen sowie vor der tödlichen Gefahr gewarnt. Und darüber hinaus legten später auch die Auffindesituationen der vier Leichen in der komplett ausgebrannten Wohnung die Vermutung nahe, dass
die Eltern mit ihren beiden kleinen Kindern auf dem Armen noch verzweifelt versucht haben könnten, sich irgendwie in Sicherheit zu bringen. Aber tatsächlich gab es für die Familie aus der Flammenhölle kein Entrinnen mehr – und die Wohnung wurde für die Opfer schließlich zur tödlichen Falle.
Währenddessen kämpften in den Stockwerken darunter die anderen Bewohner des Gebäudes ebenfalls ums nackte Überleben. Um dem Feuer und dem Rauch zu entkommen, sprang beispielsweise einer der eingeschlossenen Anwohner aus dem dritten Stock aus einem Fenster in die Tiefe, wodurch er sich ebenso lebensgefährliche Verletzungen zuzog wie eine weitere Person, die nach ihrer Rettung mit schweren Brandverletzungen gleichsam ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
„Zusätzlich gibt es fünf Menschen, die auch schwere Verletzungen davongetragen haben, die aber zum Glück weniger schlimm sind“, sagte Staatsanwalt Heribert KauneGebhardt, der nun zusammen mit den Beamten aus der Mordkommission darauf setzt, neue Hinweise aus der Bevölkerung zu erhalten.
Zu diesem Zweck wurde die Internetseite „nrw.hinweisportal. de“der nordrhein-westfälischen Polizei freigestaltet. Und es wurde eine unter 0202 / 284-1122 ein Hinweistelefon der Polizei Wuppertal eingerichtet, bei der Zeugen ebenfalls Angaben machen können.
„Uns geht es diesbezüglich um die Zeit zwischen 1.30 sowie 3 Uhr in der Nacht vom 24. auf 25. März“, grenzte Staatsanwalt Kaune-Gehardt bei der Pressekonferenz am Mittwoch noch einmal die wahrscheinlich entscheidenden Stunden ein. So sollten sich alle Zeugen, die in diesem Zeitraum im Bereich der Grünewalder Straße Auffälligkeiten wahrgenommen hätten, möglichst umgehend bei der Polizei melden, baten die Ermittler.
Die Nachricht, dass das Feuer in dem Mehrfamilienhaus mutmaßlich auf Brandstiftung zurückzuführen ist, sorgte am Mittwoch in Solingen noch einmal für zusätzliches Entsetzen. „Dies bestürzt uns zutiefst, und wir hoffen auf eine rasche Aufklärung der Tat. Unsere Gedanken sind bei den Familienangehörigen und Freunden der Opfer sowie bei den Verletzten, die sich noch in Behandlung befinden“, sagten die beiden SPD-Politiker Ingo Schäfer und Josef Neumann, die für die Klingenstadt im Bundestag beziehungsweise im Landtag sitzen und das Brandhaus bereits am Montag mit Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) sowie Sicherheitsdezernent Jan Welzel (CDU) besucht hatten.
Nach der Nachricht der Brandstiftung wurden Erinnerungen wach: Bei einem Brandanschlag auf das Haus der türkischen Familie Genç waren an der Unteren Wernerstraße in Solingen im Jahr 1993 fünf Mädchen und junge Frauen ums Leben gekommen. Als Täter wurden zwei Jahre später vier junge Rechtsextremisten aus Solingen zu langjährigen Haft- und Jugendstrafen verurteilt.