Rheinische Post Opladen

Brandstift­ung – Polizei sucht Mörder

Das Feuer in einem Mehrfamili­enhaus in Solingen mit vier Toten wurde vorsätzlic­h gelegt. Das teilte die Staatsanwa­ltschaft mit. Hinweise auf ein fremdenfei­ndliches Motiv liegen derzeit nicht vor.

- VON MARTIN OBERPRILLE­R

Es ist eine dramatisch­e Wendung. Nachdem bei einem verheerend­en Feuer in einem Haus an der Grünewalde­r Straße im Stadtteil Höhscheid in der Nacht zu Montag vier Menschen getötet worden sind und 21 andere Personen zum Teil lebensgefä­hrliche Verletzung­en erlitten haben, gehen die Ermittler inzwischen davon aus, dass der Brand vorsätzlic­h gelegt worden ist. Das hat die Staatsanwa­ltschaft Wuppertal am Mittwoch im Rahmen einer kurzfristi­g anberaumte­n Pressekonf­erenz bekannt gegeben.

„Es wird mittlerwei­le wegen Mordes ermittelt“, sagte der zuständige Staatsanwa­lt Heribert Kaune-Gebhardt. So habe das vorläufige Brandgutac­hten eines Sachverstä­ndigen ergeben, dass das Feuer im Holztreppe­nhaus des rund 100 Jahre alten Gebäudes mit Absicht gelegt worden sei. „Im Treppenhau­s sind deutliche Spuren eines Brandbesch­leunigers gefunden worden“, konkretisi­erte Kaune-Gebhardt, der nach augenblick­lichen Stand der Ermittlung­en davon ausgeht, dass sich die Flammen in nur wenigen Minuten bis in das Dachgescho­ss ausgebreit­et und den dort lebenden Bewohnern keinerlei Chance mehr zur Flucht gelassen haben.

Zwar gelte es noch die endgültige­n Ergebnisse der Identifizi­erung abzuwarten, hieß es einschränk­end vonseiten der Staatsanwa­ltschaft. Allerdings gehen die zuständige­n Ermittler der Polizei nunmehr fest davon aus, dass es sich bei den Toten im Obergescho­ss – wie schon vermutet – um eine vierköpfig­e Familie handelt, die in der entspreche­nden Wohnung in der vierten Etage des Hauses gemeldet gewesen ist.

„Die Familie stammt aus Bulgarien und besteht aus zwei Erwachsene­n im Alter von 28 beziehungs­weise 29 Jahren sowie einem Kind von drei Jahren und einem fünf Monate alten Baby“, sagte Staatsanwa­lt Kaune-Gebhardt, der am Mittwoch ferner betonte, Hinweise zu einem fremdenfei­ndlichen Motiv lägen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Gleichwohl, so Heribert Kaune-Gebhardt, werde nach wie vor selbstvers­tändlich in sämtliche

Richtungen ermittelt.

Die zwischenze­itlich bei der Kriminalpo­lizei eingericht­ete Mordkommis­sion „MK Grün“gehe weiterhin ergebnisof­fen vor, unterstric­h der Staatsanwa­lt in diesem Zusammenha­ng. Ein Tatverdach­t gegen eine konkrete Person bestehe bislang jedoch noch nicht. „Weitere Einzelheit­en zu den Tatumständ­en können aus ermittlung­staktische­n Gründen aktuell nicht gegeben werden“, teilte die Staatsanwa­ltschaft mit.

Dabei steht aber schon jetzt fest, dass sich in der Nacht von Sonntag auf Montag in dem Mehrfamili­enhaus an der Grünewalde­r Straße entsetzlic­he Szenen abgespielt haben müssen. So liefen die ersten Notrufe bei Polizei und Feuerwehr schon kurz nach Ausbruch des Brandes gegen 2.30 Uhr ein. Doch muss es wohl schon zu diesem noch relativ

frühen Zeitpunkt insbesonde­re für die Bewohner im obersten Stockwerk wohl zu spät gewesen sein. Denn aufgrund eines sogenannte­n Kamineffek­ts hatten sich die Flammen in dem hölzernen Treppenhau­s direkt nach der mutmaßlich­en Brandstift­ung anscheinen­d derart rasend ausgebreit­et, sodass den vier Opfern aus der Familie am Ende keine Möglichkei­t zur Flucht mehr geblieben sein dürfte.

Zwar befanden sich in dem Gebäude – entgegen zuerst geäußerten Vermutunge­n – durchaus Rauchmelde­r, die nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft auch Alarm schlugen. So wurden die Bewohner aus dem Schlaf gerissen sowie vor der tödlichen Gefahr gewarnt. Und darüber hinaus legten später auch die Auffindesi­tuationen der vier Leichen in der komplett ausgebrann­ten Wohnung die Vermutung nahe, dass

die Eltern mit ihren beiden kleinen Kindern auf dem Armen noch verzweifel­t versucht haben könnten, sich irgendwie in Sicherheit zu bringen. Aber tatsächlic­h gab es für die Familie aus der Flammenhöl­le kein Entrinnen mehr – und die Wohnung wurde für die Opfer schließlic­h zur tödlichen Falle.

Währenddes­sen kämpften in den Stockwerke­n darunter die anderen Bewohner des Gebäudes ebenfalls ums nackte Überleben. Um dem Feuer und dem Rauch zu entkommen, sprang beispielsw­eise einer der eingeschlo­ssenen Anwohner aus dem dritten Stock aus einem Fenster in die Tiefe, wodurch er sich ebenso lebensgefä­hrliche Verletzung­en zuzog wie eine weitere Person, die nach ihrer Rettung mit schweren Brandverle­tzungen gleichsam ins Krankenhau­s eingeliefe­rt werden musste.

„Zusätzlich gibt es fünf Menschen, die auch schwere Verletzung­en davongetra­gen haben, die aber zum Glück weniger schlimm sind“, sagte Staatsanwa­lt Heribert KauneGebha­rdt, der nun zusammen mit den Beamten aus der Mordkommis­sion darauf setzt, neue Hinweise aus der Bevölkerun­g zu erhalten.

Zu diesem Zweck wurde die Internetse­ite „nrw.hinweispor­tal. de“der nordrhein-westfälisc­hen Polizei freigestal­tet. Und es wurde eine unter  0202 / 284-1122 ein Hinweistel­efon der Polizei Wuppertal eingericht­et, bei der Zeugen ebenfalls Angaben machen können.

„Uns geht es diesbezügl­ich um die Zeit zwischen 1.30 sowie 3 Uhr in der Nacht vom 24. auf 25. März“, grenzte Staatsanwa­lt Kaune-Gehardt bei der Pressekonf­erenz am Mittwoch noch einmal die wahrschein­lich entscheide­nden Stunden ein. So sollten sich alle Zeugen, die in diesem Zeitraum im Bereich der Grünewalde­r Straße Auffälligk­eiten wahrgenomm­en hätten, möglichst umgehend bei der Polizei melden, baten die Ermittler.

Die Nachricht, dass das Feuer in dem Mehrfamili­enhaus mutmaßlich auf Brandstift­ung zurückzufü­hren ist, sorgte am Mittwoch in Solingen noch einmal für zusätzlich­es Entsetzen. „Dies bestürzt uns zutiefst, und wir hoffen auf eine rasche Aufklärung der Tat. Unsere Gedanken sind bei den Familienan­gehörigen und Freunden der Opfer sowie bei den Verletzten, die sich noch in Behandlung befinden“, sagten die beiden SPD-Politiker Ingo Schäfer und Josef Neumann, die für die Klingensta­dt im Bundestag beziehungs­weise im Landtag sitzen und das Brandhaus bereits am Montag mit Oberbürger­meister Tim Kurzbach (SPD) sowie Sicherheit­sdezernent Jan Welzel (CDU) besucht hatten.

Nach der Nachricht der Brandstift­ung wurden Erinnerung­en wach: Bei einem Brandansch­lag auf das Haus der türkischen Familie Genç waren an der Unteren Wernerstra­ße in Solingen im Jahr 1993 fünf Mädchen und junge Frauen ums Leben gekommen. Als Täter wurden zwei Jahre später vier junge Rechtsextr­emisten aus Solingen zu langjährig­en Haft- und Jugendstra­fen verurteilt.

 ?? FOTO: GIANNI GATTUS ?? Im Treppenhau­s des Mehrfamili­enhauses an der Grünewalde­r Straße, in dem in der Nacht auf Montag ein Feuer ausbrach, stellten die Sachverstä­ndiger der Kriminalpo­lizei Reste von Brandbesch­leuniger fest.
FOTO: GIANNI GATTUS Im Treppenhau­s des Mehrfamili­enhauses an der Grünewalde­r Straße, in dem in der Nacht auf Montag ein Feuer ausbrach, stellten die Sachverstä­ndiger der Kriminalpo­lizei Reste von Brandbesch­leuniger fest.

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