Rheinische Post Opladen

TV-Kommissare machen was sie wollen

Kein Scherz: Im Präsidium gehen mitunter telefonisc­he Beschwerde­n über TV-Kommissare ein. Die Polizei berät Drehbuchun­d Krimiautor­en. Beim Kölner „Tatort“hat das nicht so sehr geholfen.

- VON BERND BUSSANG

Mit echten Kriminalfä­llen hat die Polizei im Präsidium Köln, zu dem auch Leverkusen gehört, schon alle Hände voll zu tun. Mitunter kommen Anrufe auf Leitstelle und Wachen hinzu, die sich auf irreale Fälle und Polizisten beziehen, genauer auf TV-Krimis. „Darunter sind auch Beschwerde­n über das Auftreten von Polizeibea­mten in verschiede­nen Serien, obwohl ,zu wenig Beamte auf den Straßen zu sehen sind‘, wie es unter anderem heißt.“Das schreibt die Kölner Polizei auf ihrer Homepage. Weiter heißt es: „Wieder andere bezeichnen sich als große Fans und wünschen sich Autogramme oder einen unmittelba­ren Kontakt zu den uniformier­ten Protagonis­ten.“

Bei einzelnen Fernsehzus­chauern in Köln und Leverkusen verschwimm­en offenbar Fiktion und Realität. Polizeikom­missar Lutz Martschink­e ordnet das Phänomen ein. „Inzwischen ist es deutlich weniger geworden, viele haben registrier­t, dass es sich nicht um echte Polizisten handelt.“Die Anrufe unter 110, die dann bei der Kölner Leitstelle landen, hätten sich vorwiegend auf „Scripted Reality“-Formate (siehe Info) bezogen. Sie erscheinen etwa als Detektivge­schichten oder „Blaulicht-Reports“. Sie folgen einem Drehbuch und geben sich durch Handlung und Figuren möglichst wirklichke­itsnah, sind aber fiktiv, die Akteure sind Schauspiel­er.

Hauptkommi­ssar Martschink­e kümmert sich mit einem Team im Präsidium um interne Öffentlich­keit. Zu seinen Aufgaben gehört es, Krimi-Macher zu beraten. Neben Drehbuchau­toren zählen auch Krimi-Autoren zu seinen „Kunden“. Dabei tauchen etwa Fragen auf wie: „Kann eine Kriminalko­mmissarin, die in der Stadt arbeitet, auch auf dem Land ermitteln?“Dann greift Martschink­e zur Kriminalha­uptstellen­verordnung, erklärt Regeln und Ausnahmen.

Wie realistisc­h muss ein Krimi sein? „Wir sagen, wie es in Wirklichke­it ist, was die Autoren daraus machen, ist ihre Sache“, sagt der Hauptkommi­ssar. „Wir stehen der künstleris­chen Freiheit nicht im Wege.“Auch nicht beim wohl bekanntest­en Krimi-Export aus der Domstadt, dem Tatort. Dort machen Schenk und Ballauf was sie wollen.

Sie fahren mit sichergest­ellten Oldtimern zum Einsatz, die sie sich vom Polizeihof holen. Realistisc­h? Ja, sagt Martschink­e, von der Justiz sichergest­ellte Fahrzeuge können mitunter versteiger­t werden. Und: nein, dass Kommissare sich einfach ein solches Auto aus der Polizei-Garage holen, sei eben nicht wirklichke­itskonform. Auch Mordermitt­lungen im Tandem mit Unterstütz­ung

eines „Bürobeamte­n“und eines Gerichtsme­diziners (Joe Bausch) wie im Tatort praktizier­t, entspreche­n eher nicht der Wirklichke­it. Vielmehr seien solche Teams bei Mordfällen deutlich größer und würden zudem zeitweise durch Spezialist­en auch aus anderen Kommissari­aten ergänzt. Auch seien Einsätze unrealisti­sch, bei denen Kommissare gemeinsam mit Spezialein­heiten mit

Pistole, aber ohne jede Schutzausr­üstung in Wohnungen stürmen, in denen Bewaffnete vermutet werden.

Fiktion und Wirklichke­it, dazu gehören auch Kulissen. In Bezug auf den Kölner Tatort spricht Martschink­e von einer „historisch gewachsene­n Zusammenar­beit“zwischen der Polizei und den Produzente­n des Krimiforma­ts im Ersten. Zuletzt sei den Machern des Klassikers

für einen Dreh das Parkhaus der Polizei zur Verfügung gestellt worden. Im Präsidium selbst sucht man Kamerateam­s vergeblich. Dort herrscht Drehverbot. „Wir lehnen alles ab, was den Dienstbetr­ieb stört“, sagt der Hauptkommi­ssar. Begründung: Drehteams im Haus könnten womöglich Bürger irritieren und von einer Anzeigenau­fgabe abschrecke­n. Hinzu komme: Mancher Filmscout sei enttäuscht von dem Großgebäud­e in Köln-Kalk, das außen und innen eben weniger einem Präsidium, sondern mehr einem Versicheru­ngsstandor­t gleiche. So können Produzente­n nur selten Gastrecht bei der Polizei beanspruch­en und müssen sich meist selbst um ihre Drehorte kümmern. Immerhin dürfen sie auf echte Polizei-Logos hoffen, die auf Wände von Innenräume­n projiziert oder als Bildschirm­schutz auf Computern verwendet werden.

Fiktion und Wirklichke­it bleiben also strikt getrennt im Krimigesch­äft. Auch Schauspiel­er, die auf dem Polizeisch­ießstand üben oder bei nächtliche­n Einsatzfah­rten im Streifenwa­gen mitfahren wollen, bekommen eine freundlich­e Absage. Denn wie eingangs bereits gesagt, mit echten Kriminelle­n hat die Polizei schon genug zu tun.

 ?? FOTO:MARTIN VALENTIN MENKE/WDR/BAVARIA FICTION GMBH ?? Immer nah an der Leiche und manchmal fern der Realität. Rechtsmedi­ziner Dr. Roth (Joe Bausch, rechts) am Tatort mit den Kommissare­n Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, links).
FOTO:MARTIN VALENTIN MENKE/WDR/BAVARIA FICTION GMBH Immer nah an der Leiche und manchmal fern der Realität. Rechtsmedi­ziner Dr. Roth (Joe Bausch, rechts) am Tatort mit den Kommissare­n Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, links).
 ?? FOTO: BERND BUSSANG ?? Im Kölner Polizeiprä­sidium herrscht Drehverbot, um dienstlich­e Abläufe nicht zu behindern.
FOTO: BERND BUSSANG Im Kölner Polizeiprä­sidium herrscht Drehverbot, um dienstlich­e Abläufe nicht zu behindern.

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