TV-Kommissare machen was sie wollen
Kein Scherz: Im Präsidium gehen mitunter telefonische Beschwerden über TV-Kommissare ein. Die Polizei berät Drehbuchund Krimiautoren. Beim Kölner „Tatort“hat das nicht so sehr geholfen.
Mit echten Kriminalfällen hat die Polizei im Präsidium Köln, zu dem auch Leverkusen gehört, schon alle Hände voll zu tun. Mitunter kommen Anrufe auf Leitstelle und Wachen hinzu, die sich auf irreale Fälle und Polizisten beziehen, genauer auf TV-Krimis. „Darunter sind auch Beschwerden über das Auftreten von Polizeibeamten in verschiedenen Serien, obwohl ,zu wenig Beamte auf den Straßen zu sehen sind‘, wie es unter anderem heißt.“Das schreibt die Kölner Polizei auf ihrer Homepage. Weiter heißt es: „Wieder andere bezeichnen sich als große Fans und wünschen sich Autogramme oder einen unmittelbaren Kontakt zu den uniformierten Protagonisten.“
Bei einzelnen Fernsehzuschauern in Köln und Leverkusen verschwimmen offenbar Fiktion und Realität. Polizeikommissar Lutz Martschinke ordnet das Phänomen ein. „Inzwischen ist es deutlich weniger geworden, viele haben registriert, dass es sich nicht um echte Polizisten handelt.“Die Anrufe unter 110, die dann bei der Kölner Leitstelle landen, hätten sich vorwiegend auf „Scripted Reality“-Formate (siehe Info) bezogen. Sie erscheinen etwa als Detektivgeschichten oder „Blaulicht-Reports“. Sie folgen einem Drehbuch und geben sich durch Handlung und Figuren möglichst wirklichkeitsnah, sind aber fiktiv, die Akteure sind Schauspieler.
Hauptkommissar Martschinke kümmert sich mit einem Team im Präsidium um interne Öffentlichkeit. Zu seinen Aufgaben gehört es, Krimi-Macher zu beraten. Neben Drehbuchautoren zählen auch Krimi-Autoren zu seinen „Kunden“. Dabei tauchen etwa Fragen auf wie: „Kann eine Kriminalkommissarin, die in der Stadt arbeitet, auch auf dem Land ermitteln?“Dann greift Martschinke zur Kriminalhauptstellenverordnung, erklärt Regeln und Ausnahmen.
Wie realistisch muss ein Krimi sein? „Wir sagen, wie es in Wirklichkeit ist, was die Autoren daraus machen, ist ihre Sache“, sagt der Hauptkommissar. „Wir stehen der künstlerischen Freiheit nicht im Wege.“Auch nicht beim wohl bekanntesten Krimi-Export aus der Domstadt, dem Tatort. Dort machen Schenk und Ballauf was sie wollen.
Sie fahren mit sichergestellten Oldtimern zum Einsatz, die sie sich vom Polizeihof holen. Realistisch? Ja, sagt Martschinke, von der Justiz sichergestellte Fahrzeuge können mitunter versteigert werden. Und: nein, dass Kommissare sich einfach ein solches Auto aus der Polizei-Garage holen, sei eben nicht wirklichkeitskonform. Auch Mordermittlungen im Tandem mit Unterstützung
eines „Bürobeamten“und eines Gerichtsmediziners (Joe Bausch) wie im Tatort praktiziert, entsprechen eher nicht der Wirklichkeit. Vielmehr seien solche Teams bei Mordfällen deutlich größer und würden zudem zeitweise durch Spezialisten auch aus anderen Kommissariaten ergänzt. Auch seien Einsätze unrealistisch, bei denen Kommissare gemeinsam mit Spezialeinheiten mit
Pistole, aber ohne jede Schutzausrüstung in Wohnungen stürmen, in denen Bewaffnete vermutet werden.
Fiktion und Wirklichkeit, dazu gehören auch Kulissen. In Bezug auf den Kölner Tatort spricht Martschinke von einer „historisch gewachsenen Zusammenarbeit“zwischen der Polizei und den Produzenten des Krimiformats im Ersten. Zuletzt sei den Machern des Klassikers
für einen Dreh das Parkhaus der Polizei zur Verfügung gestellt worden. Im Präsidium selbst sucht man Kamerateams vergeblich. Dort herrscht Drehverbot. „Wir lehnen alles ab, was den Dienstbetrieb stört“, sagt der Hauptkommissar. Begründung: Drehteams im Haus könnten womöglich Bürger irritieren und von einer Anzeigenaufgabe abschrecken. Hinzu komme: Mancher Filmscout sei enttäuscht von dem Großgebäude in Köln-Kalk, das außen und innen eben weniger einem Präsidium, sondern mehr einem Versicherungsstandort gleiche. So können Produzenten nur selten Gastrecht bei der Polizei beanspruchen und müssen sich meist selbst um ihre Drehorte kümmern. Immerhin dürfen sie auf echte Polizei-Logos hoffen, die auf Wände von Innenräumen projiziert oder als Bildschirmschutz auf Computern verwendet werden.
Fiktion und Wirklichkeit bleiben also strikt getrennt im Krimigeschäft. Auch Schauspieler, die auf dem Polizeischießstand üben oder bei nächtlichen Einsatzfahrten im Streifenwagen mitfahren wollen, bekommen eine freundliche Absage. Denn wie eingangs bereits gesagt, mit echten Kriminellen hat die Polizei schon genug zu tun.