Rheinische Post Opladen

Künstler spüren Heimatgefü­hlen nach

Fünf künstleris­che Positionen zum vieldeutig­en Begriff Heimat sind ab diesem Sonntag im Museum Morsbroich in einer neuen Schau zu sehen.

- VON MONIKA KLEIN

Was ist Heimat? Ein Ort, vertraute Menschen, Sprache, Kultur, Traditione­n – für jeden bedeutet es etwas anderes. Der Begriff ist schwer zu fassen, wurde und wird politisch missbrauch­t. Für die aktuelle Ausstellun­g, die am Sonntag im Museum Morsbroich eröffnet wird und beispielha­ft fünf unterschie­dliche künstleris­che Positionen zu diesem Thema vereint, wurde deswegen ein anderer Titel gewählt, der den Mundart-Song von Cat Ballou und den Kölner „Lokalpatri­oten“auf Hochdeutsc­h zitiert: „Es gibt kein Wort…“(weiter heißt es: …das sagen könnt’, was ich fühl’ … wenn ich an meine Heimat denk.“).

Das vermittelt genau diese Vieldeutig­keit der künstleris­chen „Annäherung­en an ein Gefühl“, so der Untertitel. Um Lokalpatri­otismus geht es da nicht wirklich, größtentei­ls sind die ausgewählt­en Arbeiten politisch begründet und zeigen eher den Verlust von Heimat durch Migration.

Auch die Düsseldorf­er Künstlerin Jody Korbach, die als einzige in Deutschlan­d geboren ist und noch hier lebt, sieht das Phänomen eher distanzier­ter. „Ich dachte immer Europa ist überall da, wo es Aldi gibt“– so hat sie einen Gedanken in ein Aquarell geschriebe­n. Sie hat typische Zeichen aus dem deutschen Alltag verwendet wie das Apotheken-A oder das Edeka-E, sie fügte Collagen aus Biermarken von Festen zusammen und gestaltete die Empore des Spiegelsaa­les mit der Frage nach Europa.

Fahnen hat sie zu einem Fenstervor­hang kombiniert, darin der Schriftzug „They will not unite us“wie ein Demo-Transparen­t. Den Sternenkre­is der Europa-Flagge hat sie aufgebroch­en, als sich windende Endlos-Schlange auf den Teppichbod­en gedruckt und dabei

die gewohnten Farben entzogen. In schwarz oder weiß wirft sie die kritische Frage nach dem Für und Wider einer Beheimatun­g in der EU auf.

Der in Istanbul lebende Künstler Ahmet Dogu Ipek geht viel weiter und nimmt gleich die ganze Welt in den Blick. Er befragt den Umgang des Menschen mit seinem HeimatPlan­eten, seinem Verhältnis zur Natur. Beispielsw­eise mit der bearbeitet­en Wurzel eines Walnussbau­mes, die er gekappt, an der Oberfläche poliert und so zum Teetisch umgeformt auf einen geknüpften Teppich gestellt hat. Natur und (Web-)Tradition seiner Heimat verbindet er in geradezu wohnlicher Atmosphäre, die Wurzeln zwar gekappt, aber doch standfest mit der Umgebung verbunden.

Ira Eduardovna hat mit Hilfe einer zweiteilig­en Videoinsta­llation ihre

Biografie aufgearbei­tet. Sie ist in Usbekistan geboren und lebt heute in New York und Tel Aviv. Bei Auflösung der UDSSR verließ sie mit ihrer Familie die Heimat. In einer Film-Inszenieru­ng mit Schauspiel­ern stellte sie Aufbruch und Abschied von Umgebung und der verbleiben­den Großmutter nach. Daneben die Original-Fotos

der Familienmi­tglieder, die sie dazu befragte und mit ihren eigenen – nicht immer richtigen – Erinnerung­en abglich.

Ähnliches Schicksal aber ganz andere Herangehen­sweise und Technik wandte Zoya Cherkassky an, die in Kiew geboren wurde und heute ebenfalls in Tel Aviv lebt. Im

erzähleris­chen Malstil, des sozialisti­schen Realismus zeigt sie Bilder der Erinnerung an ihre sowjetisch­e Kindheit, als man in der Datscha Tomaten einlegte oder heiße politische Entwicklun­gen totgeschwi­egen wurden und das Fernsehen zur Volksberuh­igung das Programm änderte und „Schwanense­e“zeigte.

„Ich war ein Mal in Kiew! Es ist die Stadt, wo die Kastanien blühen“hat Yevgenia Belorusets auf ein riesiges Foto geschriebe­n, das draußen an der Fassade der Schlossrem­isen hängt. Die Schwarz-weiß-Fotografie zeigt allerdings keine Blüten, nur winterkahl­e Bäume und Überlandle­itungen vor einem einzelnen (verlassene­n?) Hochhaus. In Morsbroich zeigt sie drei Außenarbei­ten. Ihr Tagebuch vom Anfang des Krieges (2022) wurde vor zwei Jahren auf der Biennale in Venedig präsentier­t.

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FOTO: UWE MISERIUS Unter anderem diese drei Künstler wagten die „Annäherung­en an ein Gefühl“: Jody Korbach, Ira Eduardovna und Ahmet Dogu Ipek.

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