Künstler spüren Heimatgefühlen nach
Fünf künstlerische Positionen zum vieldeutigen Begriff Heimat sind ab diesem Sonntag im Museum Morsbroich in einer neuen Schau zu sehen.
Was ist Heimat? Ein Ort, vertraute Menschen, Sprache, Kultur, Traditionen – für jeden bedeutet es etwas anderes. Der Begriff ist schwer zu fassen, wurde und wird politisch missbraucht. Für die aktuelle Ausstellung, die am Sonntag im Museum Morsbroich eröffnet wird und beispielhaft fünf unterschiedliche künstlerische Positionen zu diesem Thema vereint, wurde deswegen ein anderer Titel gewählt, der den Mundart-Song von Cat Ballou und den Kölner „Lokalpatrioten“auf Hochdeutsch zitiert: „Es gibt kein Wort…“(weiter heißt es: …das sagen könnt’, was ich fühl’ … wenn ich an meine Heimat denk.“).
Das vermittelt genau diese Vieldeutigkeit der künstlerischen „Annäherungen an ein Gefühl“, so der Untertitel. Um Lokalpatriotismus geht es da nicht wirklich, größtenteils sind die ausgewählten Arbeiten politisch begründet und zeigen eher den Verlust von Heimat durch Migration.
Auch die Düsseldorfer Künstlerin Jody Korbach, die als einzige in Deutschland geboren ist und noch hier lebt, sieht das Phänomen eher distanzierter. „Ich dachte immer Europa ist überall da, wo es Aldi gibt“– so hat sie einen Gedanken in ein Aquarell geschrieben. Sie hat typische Zeichen aus dem deutschen Alltag verwendet wie das Apotheken-A oder das Edeka-E, sie fügte Collagen aus Biermarken von Festen zusammen und gestaltete die Empore des Spiegelsaales mit der Frage nach Europa.
Fahnen hat sie zu einem Fenstervorhang kombiniert, darin der Schriftzug „They will not unite us“wie ein Demo-Transparent. Den Sternenkreis der Europa-Flagge hat sie aufgebrochen, als sich windende Endlos-Schlange auf den Teppichboden gedruckt und dabei
die gewohnten Farben entzogen. In schwarz oder weiß wirft sie die kritische Frage nach dem Für und Wider einer Beheimatung in der EU auf.
Der in Istanbul lebende Künstler Ahmet Dogu Ipek geht viel weiter und nimmt gleich die ganze Welt in den Blick. Er befragt den Umgang des Menschen mit seinem HeimatPlaneten, seinem Verhältnis zur Natur. Beispielsweise mit der bearbeiteten Wurzel eines Walnussbaumes, die er gekappt, an der Oberfläche poliert und so zum Teetisch umgeformt auf einen geknüpften Teppich gestellt hat. Natur und (Web-)Tradition seiner Heimat verbindet er in geradezu wohnlicher Atmosphäre, die Wurzeln zwar gekappt, aber doch standfest mit der Umgebung verbunden.
Ira Eduardovna hat mit Hilfe einer zweiteiligen Videoinstallation ihre
Biografie aufgearbeitet. Sie ist in Usbekistan geboren und lebt heute in New York und Tel Aviv. Bei Auflösung der UDSSR verließ sie mit ihrer Familie die Heimat. In einer Film-Inszenierung mit Schauspielern stellte sie Aufbruch und Abschied von Umgebung und der verbleibenden Großmutter nach. Daneben die Original-Fotos
der Familienmitglieder, die sie dazu befragte und mit ihren eigenen – nicht immer richtigen – Erinnerungen abglich.
Ähnliches Schicksal aber ganz andere Herangehensweise und Technik wandte Zoya Cherkassky an, die in Kiew geboren wurde und heute ebenfalls in Tel Aviv lebt. Im
erzählerischen Malstil, des sozialistischen Realismus zeigt sie Bilder der Erinnerung an ihre sowjetische Kindheit, als man in der Datscha Tomaten einlegte oder heiße politische Entwicklungen totgeschwiegen wurden und das Fernsehen zur Volksberuhigung das Programm änderte und „Schwanensee“zeigte.
„Ich war ein Mal in Kiew! Es ist die Stadt, wo die Kastanien blühen“hat Yevgenia Belorusets auf ein riesiges Foto geschrieben, das draußen an der Fassade der Schlossremisen hängt. Die Schwarz-weiß-Fotografie zeigt allerdings keine Blüten, nur winterkahle Bäume und Überlandleitungen vor einem einzelnen (verlassenen?) Hochhaus. In Morsbroich zeigt sie drei Außenarbeiten. Ihr Tagebuch vom Anfang des Krieges (2022) wurde vor zwei Jahren auf der Biennale in Venedig präsentiert.