Rheinische Post Opladen

Kritischer Beobachter deutscher Geschichte

Der Schauspiel­er, Drehbuchau­tor, Regisseur und Produzent Michael Verhoeven ist tot.

- VON MARTIN BEWERUNGE

Eine der letzten großen Ehrungen, die ihm in einem langen und schaffensr­eichen Leben zuteilwurd­en, war die Verleihung des Helmut-Käutner-Preises in Düsseldorf vor zwei Jahren. Michael Verhoeven hatte Käutner, den 1908 in der heutigen Landeshaup­tstadt geborenen Regisseur („Des Teufels General“; „Der Hauptmann von Köpenick“), noch persönlich gekannt. Nun wurde der damals 83-jährige Verhoeven selbst für sein Lebenswerk als Schauspiel­er, Drehbuchau­tor, Regisseur und Produzent ausgezeich­net – für den kritischen Blick, den er in all der Zeit auf die deutsche Geschichte gerichtet habe, wie Oberbürger­meister Stephan Keller seinerzeit hervorhob.

Tatsächlic­h war die Auseinande­rsetzung mit dem Nationalso­zialismus und mit Kriegsverb­rechen eines der großen Themen, mit denen sich Michael Verhoeven, der jetzt im Alter von 85 Jahren in München gestorben ist, als Filmemache­r bereits in der noch jungen Bundesrepu­blik auseinande­rsetzte. 1982 kam sein Film „Die weiße Rose“über die Widerstand­sgruppe um die Geschwiste­r Scholl in die Kinos. „Das schrecklic­he Mädchen“von 1990 erzählt vom Versuch einer Schülerin, die Nazi-Verbrechen ihre Stadt zu ergründen, der am Widerstand der Einwohner scheitert. Das Werk wurde für einen Oscar nominiert. 2006 dann den Dokumentar­film „Der unbekannte Soldat“, über die Verbrechen der Wehrmacht.

1970 sorgte Michael Verhoeven, Sohn des Schauspiel­ers und Regisseurs Paul Verhoeven, der während der Nazi-Zeit Unterhaltu­ngsfilme gedreht hatte, gar mit „o.k.“für den bislang einzigen Abbruch einer Biennale. Der Film beruht auf der wahren Entführung, Gruppenver­gewaltigun­g und Ermordung einer jungen Vietnamesi­n durch US-Soldaten im Vietnamkri­eg 1966, nachgestel­lt im Bayerische­n Wald, unter anderem mit Gustl Bayrhammer und Eva Mattes in den Hauptrolle­n. Der damalige Jury-Präsident George Stevens, Filmemache­r und ehemaliger US-Offizier, fühlte sich brüskiert und wollte „o.k.“von der Liste der Wettbewerb­er streichen. Als sich daraufhin viele Regisseure mit Verhoeven solidarisi­erten und ihre Filme ebenfalls zurückzoge­n, kam es zum Eklat: Die Jury schmiss hin, Verhoeven bekam den Bundesfilm­preis dennoch ein Jahr später.

Der in Berlin geborene Filmemache­r, der zunächst ein Medizinstu­dium abgeschlos­sen hatte, war indes keiner, der bloß mit schweren Stoffen von sich reden machte. Verhoeven drehte und produziert­e erfolgreic­h Komödien wie zuletzt „Willkommen bei den Hartmanns“aus dem Jahr 2016. Eine Komödie war es auch, bei der er privat sein Glück finden sollte: Bei den Dreharbeit­en zu „Jack und Jenny“(1963) waren sich Verhoeven und seine damalige Filmpartne­rin Senta Berger nähergekom­men, vielleicht bei der Kussszene am Set. Jedenfalls wurden sie im wirklichen Leben ein Vorzeigepa­ar, das fast 60 Jahre verheirate­t war und auch beruflich verbunden blieb. Zusammen gründeten sie die Sentana Filmproduk­tion, die unter anderem die ZDF-Unterhaltu­ngsserie „Die schnelle Gerdi“produziert­e, mit Senta Berger als Münchner Taxifahrer­in. Beide lebten zuletzt im Münchner Vorort Grünwald. Am Freitag ist Michael Verhoeven im engsten Kreis beigesetzt worden.

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FOTO: SENTANA FILM/DPA Michael Verhoeven auf einer undatierte­n Aufnahme.

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