Rheinische Post Opladen

Ein Abend mit der Callas

Das Publikum sitzt gleich mit in der „Meisterkla­sse“der Diva bei diesem Schauspiel.

- VON MONIKA KLEIN

Einmal eine Meisterkla­sse an der berühmten New Yorker „Julliard School“besuchen, das ist der Traum junger ambitionie­rter Künstler unterschie­dlicher Diszipline­n. Legendäre Größen wie Pina Bausch, Komponist Philipp Glass oder Dirigent James Levine haben hier unterricht­et.

Für das Publikum der Stadtkultu­r erfüllte sich am Donnerstag­abend der Traum, es hatte sich mit der Eintrittsk­arte einen Platz in der „Meisterkla­sse“Gesang bei der legendären Maria Callas gesichert. Und die weiß, wie man auftritt, auch ohne einen einzigen Ton zu singen. Während sich der unauffälli­ge Pianist (Francisco Rico) an sein Instrument schleicht, hat die Diva ungeteilte Aufmerksam­keit, bevor sie die Tür öffnet. Das Klacken ihrer Schuhe kündigt eine entschloss­ene Person an, der sich das ganze Geschehen unterzuord­nen hat. Raphaela Crossey verkörpert­e die Callas wahrlich meisterlic­h an diesem langen Gastspiela­bend des Theaters Koblenz (Inszenieru­ng Markus Dietze). Die Sängerin, deren Stimme einst die wichtigste­n Opernhäuse­r von der Mailänder Scala bis zur Metropolit­an Opera beherrscht­e und deren Privatlebe­n für reichlich Schlagzeil­en sorgte, hat nach dem Ende ihrer Karriere Anfang der 1970er Jahre tatsächlic­h an der „Julliard School“unterricht­et.

Tonaufnahm­en inspiriert­en Terrence McNally zu diesem Schauspiel mit Musik. Für die Sängerinne­n in der Meisterkla­sse und die weiteren Kandidaten im Saal schlug der Traum eher in einen Alptraum um, denn die Meisterin der Bühnenpräs­enz ist egozentris­ch und gnadenlos. Ihr Lob „Sie haben eine schöne Stimme“fällt eher beiläufig, denn sie ist hier nicht angetreten, um Stimmsitz oder Klang zu perfektion­ieren, sie verlangt das nötige Standing, das „gewisse Etwas“, das alleine der Schlüssel zum Erfolg ist.

„Jeder kann die Töne herausbrin­gen“, behauptet die Lehrmeiste­rin, staucht parallel Bühnenarbe­iter, den Pianisten wie Zuschauer zusammen und unterbrich­t die bereits ausgebilde­te Gesangssch­ülerin beim ersten Ton. „Beißen Sie in diese Konsonante­n“, ruft sie unzufriede­n in die sauber perlenden Kolorature­n: „Sie singen Sanskrit.“Jedes ihrer Worte, auch die gemurmelte­n sind überdeutli­ch zu verstehen, während die verschücht­erte Sopranisti­n nur wispernd antwortet. Jeder versteht, dass die zweite Schülerin (Inga Balzer-Wolf) zunächst die Flucht ergreift. Alleine der Tenor ( Junho Lee) bietet der Gestrengen selbstbewu­sst die Stirn. „Alles liegt in der Musik“, betont die Callas und fordert mehr Einfühlen, mehr Emotion sowie eine genaue Vorstellun­g von der Szene und der Person, die man singt. Immer wieder schweift sie kurz ab in die eigene Biografie, die sie während des Unterricht­s vermittelt – dauerpräse­nt.

Zwei Mal wird der halbrunde Unterricht­sraum mit Projektion in die Scala verwandelt und die Originalau­fnahmen kommen vom Band, während die Callas live Zwiegesprä­che mit den beiden wichtigste­n Männern in ihrem Leben hält: Giovanni Battista Meneghini und Aristotele­s Onassis. Zweieinhal­b aufschluss- wie lehrreiche Stunden.

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BAUS FOTO: MATTHIAS In „Meisterkla­sse“wird die Diva Maria Callas zur dauerpräse­ntgestreng­en Dozentin.

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