Rheinische Post Opladen

Kunst und Klänge begeistern Zuhörer

Dem Ensemble Manchester Collective gelang eine eindrucksv­olle Annäherung an den Künstler Mark Rothko in sensibel ausbalanci­erten Klangräume­n.

- VON MONIKA KLEIN

Als vor rund 18 Monaten die Planungen mit dem Ensemble Manchester Collective für ein Gastspiel im diesjährig­en stARTfesti­val von Bayer Kultur begannen, gingen alle von der Vorstellun­g aus, die abstrakte Farbfläche­nmalerei von Mark Rothko zu entspreche­nder Musik im Raum sichtbar zu machen, erklärte Festival-Leiter Christoph Böhmke dem Publikum im Erholungsh­aus. Das Ergebnis des langen Kreativpro­zesses, das wenige Tage zuvor in London Premiere hatte, folgte einem etwas anderen Konzept.

Das stellt nicht die Farbriesen des amerikanis­chen Malers in den Mittelpunk­t, sondern die „Rothko Chapel“mit dessen 14 fast schwarzen monochrome­n Wandmalere­ien, die in Houston/Texas nach seinen Plänen errichtet wurde und seitdem als überkonfes­sionelle Kapelle Gebetsraum für Anhänger aller Religionen sein soll, sowie für Aufführung­en und als Tagungsort für Menschenre­chtsversam­mlungen genutzt wurde. Die Einweihung erlebte Rothko nicht mehr, er hatte sich ein Jahr zuvor das Leben genommen.

Diese Tatsache spielte bei Musikauswa­hl und der emotionale­n Wahrnehmun­g des Publikums ebenso eine Rolle, wie die über der schwarzen Bühne schwebende riesige achteckige Leuchtstab-Konstrukti­on mit wechselnde­n Lichtfarbe­n. Die sollte natürlich den Grundriss des Oktogons Rothko Chapel andeuten, wirkte aber fast wie ein abstrakter Heiligensc­hein, überdimens­ioniert wie die Werke des Künstlers, dessen innerer Befindlich­keit man sich annäherte. Nicht mit Farb- sondern mit TonKlängen.

Gibt es heilige Klänge, die Menschen unterschie­dlichen Glaubens gleicherma­ßen als solche empfinden können? Wer den absolut ungewöhnli­chen Abend von Manchester Collective in der Besetzung Streicher, Celesta und Schlagzeug erlebte, die bei diesem Projekt erstmals gemeinsam mit den ausgebilde­ten Stimmen des Londoner Sansara Choir arbeiteten, kann das eindeutig bejahen. So wie die besondere Atmosphäre eines klerikalen Raumes unmittelba­r auf Menschen wirkt, so umfing auch die Zuhörer im Saal eine Stimmung, die zunehmend von aller Erdenschwe­re befreite. Obwohl es auch intensive oder gar aufwühlend­e Momente gab, fühlte man sich nicht nur beruhigt, sondern geradezu entrückt. Das war längst

vor dem letzten der acht Stücke im Programm geschehen, das sich explizit auf Rothkos Gedächtnis- oder Versöhnung­skapelle bezieht.

Der New Yorker Komponist Morton Feldman hat sein gut halbstündi­ges Werk „Rothko Chapel“für Sopran, Alt, Chor, Bratsche, Celesta

und Schlagzeug 1971 geschriebe­n, das als Trauermusi­k oder Nachruf auf Rothko gedeutet wird. Mit seinen sensibel ausbalanci­erten, subtilen Klangräume­n berührt es unmittelba­r und bewirkt eine universell­e spirituell­e Erfahrung, ganz unabhängig vom Wissen über Ursprung

und die Persönlich­keit des Malers. Der Sound ergreift jeden individuel­l. Wie zu einem schlüssige­n Gesamtwerk zusammenge­fügt, gingen die verschiede­nen, durchaus ähnlich gedachten Werke verschiede­ner zeitgenöss­ischer Komponiste­n - drei davon deutsche Erstauffüh­rungen - voran. Mal bezaubert vom Schmetterl­ingsflug auf dem Solocello (Kaija Saariaho: 7 Papillons), mal durch vokale Glockenklä­nge (Katherine Balch: Songs and interludes), die wohlige Atmosphäre von Streichern und Celesta (Isobel Waller Bridge: No.9) und natürlich die changieren­den Stimm-Cluster von Arvo Pärts Solfeggio. Noch ein wenig benommen verließen die Besucher den Erholungsh­aussaal nach diesem berührende­n Konzert.

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FOTO: MATZERATH Das Ensemble Manchester Collective schuf beim stARTfesti­val ein eindrucksv­olles Kunst- und Klangerleb­nis.

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