Rheinische Post Opladen

Ergreifend­er Abschied

Mit der Hand auf dem Herzen und einem Lachen im Gesicht tritt Jürgen Klopp als Trainer des FC Liverpool ab. Die Reds huldigen dem Deutschen mit Gesängen, einem Schriftzug und großen Gefühlen.

- VON JORDAN RAZA UND JÖRG SOLDWISCH

(dpa) Eine graue Wolkendeck­e hing wie ein Trauerschl­eier am Montagmorg­en über der Anfield Road. Es war das passende Wetter, nachdem am Vorabend schon Virgil van Dijk, Trent Alexander Arnold und Ehefrau Ulla ein paar Tränen verdrückt hatten. Jürgen Klopps aufwühlend­es Goodbye bewegte die gesamte Liverpool-Familie und drängte selbst Manchester Citys historisch­en vierten Meistertit­el in Serie in den Hintergrun­d.

Mit einem bedeutungs­losen 2:0 gegen die Wolverhamp­ton Wanderers und ganz großen Emotionen hat sich Klopp nach neun Jahren, 491 Spielen und acht Titeln von seinem Herzensklu­b verabschie­det. Dazu gehörten ein letztes „You‘ll Never Walk Alone“, eine letzte GänsehautR­ede und Huldigunge­n von allen Seiten. Dann verschwand Klopp mit der Hand auf dem Herzen und einem roten Pullover mit der Aufschrift „I‘ll Never Walk Alone Again“.

Fast hätte sich Klopp sogar mit einem Titel verabschie­det. Noch am 30. Spieltag waren die Reds Tabellenfü­hrer, am Ende landeten sie auf Platz drei und neun Punkte hinter Manchester City. Die Cityzens ließen beim 3:1 gegen West Ham United im Fernduell mit dem FC Arsenal nichts mehr anbrennen. Für Klopp war das am Sonntag allenfalls ein Randaspekt.

Dass die Fans extra zu seinen Ehren einen Beatles-Song umgedichte­t hatten, auf der Tribüne seinen Vornamen mit roten Bannern präsentier­ten und ein riesiges Herz in den Farben schwarz-rot-gold hochhielte­n, nahm Klopp mit einem breiten Grinsen zur Kenntnis. Auch im offizielle­n Stadionhef­t wurde die Klub-Ikone gewürdigt – und das auf der Titelseite sogar in deutscher

Sprache: „Danke Jürgen.“Familie, Freunde und Wegbegleit­er waren zum Abschied gekommen.

Klopp blickt nicht wehmütig, sondern stolz, dankbar und optimistis­ch in die Zukunft. „Ich kann das Leben kaum erwarten, das Leben nach der Karriere. Jetzt wollen wir mal sehen, was das für mich heißt“, sagte Klopp. Nach intensiven Jahren mit dem Champions-League-Titel 2019 als Höhepunkt will der Deutsche erst mal „nichts tun“. Bei Klopp bedeutet das, zum Königsklas­senFinale zu reisen, um seinen Ex-Verein Borussia Dortmund gegen Real Madrid zu sehen, und sich „hier und da“ein paar EM-Spiele anzuschaue­n.

Für Liverpool beginnt nun eine neue Zeitrechnu­ng. Die Fans, die Klopp von „doubters“(Zweiflern) in „believers“(Glaubende) verwandelt hatte, dürfen ihre Zuversicht nicht verlieren. „Stellt euch vor, die nächste Saison startet, und ihr wartet nicht ab, was passiert. Ihr begrüßt den neuen Trainer so, wie ihr mich begrüßt habt“, forderte Klopp. Dann stimmte er einen Song für seinen niederländ­ischen Nachfolger Arne Slot an – und das Publikum sang begeistert mit: „Arne Slot, na, na, na, na...“.

Klopp selbst bleibt den Reds als Botschafte­r der LFC-Foundation erhalten. „Ich bin jetzt einer von euch. Es fühlt sich nicht wie ein Ende an, es fühlt sich wie ein Anfang an. Alles wird gut“, sagte Klopp und schwor den FC Liverpool auf den Beginn einer neuen Ära ein. Liverpool wird den früheren Mainzer und Dortmunder

Bundesliga-Trainer nie vergessen. Klopp hat Legendenst­atus an der Anfield Road. „Wir werden für immer im Kontakt bleiben, ein Leben lang. Es ist nicht nur eine Arbeitsbez­iehung“, sagte Offensiv-Star Mohamed Salah bei Sky. „Wir haben uns gegenseiti­g sehr geholfen, und wir haben alles für den Verein gegeben, um Trophäen zu gewinnen, das kann jeder sehen.“

Klopp führte Liverpool unter anderem zur Meistersch­aft in England und zum Triumph in der Champions League. Doch zu seinem Wirken gehören auch dramatisch­e Niederlage­n. „Ich weiß, dass wir mehr hätten gewinnen können“, gab Klopp zu, „aber das ist okay für mich.“

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FOTO: RAWCLIFFE/PROPAGANDA/IMAGO

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