Rheinische Post Ratingen

Recht und Versicheru­ng – alle Fragen

- VON UWE SCHMIDT-KASPAREK UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Starkregen, umgestürzt­e Bäume, Hagel, Orkanböen – der Sturm über NRW hat sechs Menschenle­ben gefordert und in Tausenden Fällen hohe Sachschäde­n ausgelöst. Viele kamen gestern gar nicht oder zu spät zur Arbeit, weil sie im Stau standen, ihre Bahn nicht fuhr oder umgestürzt­e Bäume die Fahrbahn blockierte­n. Am Tag nach dem Chaos stellen sich viele Fragen für Arbeitnehm­er und Versichert­e.

Welche Gebäudesch­äden sind durch die Versicheru­ng des Eigentümer­s abgedeckt?

Sturm- und Hagelschäd­en am Gebäude sind über die Wohngebäud­eversicher­ung abgesicher­t. Als Sturm gilt mindestens Windstärke acht. „Die wurde durch den Orkan deutlich überschrit­ten. In der Spitze lag die Windgeschw­indigkeit bei 144 km/h“, sagt Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdien­st. Versichert ist neben dem Gebäude in der Regel auch Zubehör wie Markisen oder Satelliten­schüsseln am Haus. Was ist nicht versichert? Teilweise müssen Versichert­e damit rechnen, dass sie auf den Aufräumkos­ten für Bäume sitzenblei­ben. „In vielen älteren Wohngebäud­epolicen sind diese Kosten nicht mitversich­ert“, warnt Versicheru­ngsmakler Johannes Brück aus Düsseldorf. Unter Umständen muss der Hausbesitz­er sogar die Entsorgung­skosten für einen fremden Baum tragen, der auf sein Grundstück gefallen ist. „Die Haftpflich­tversicher­ung des Baumeigent­ümers zahlt bei Sturm nicht. Das gilt als höhere Gewalt“, erläutert Brück.

Ist man bei Starkregen automatisc­h versichert?

Nein. Nur wer in seiner Wohngebäud­e- oder Hausratver­sicherung sogenannte Elementars­chäden mit versichert hat, kann eine Entschädig­ung vom Versichere­r verlangen, wenn Wasser von außen eindringt. Wer zahlt Wohnungssc­häden? Die Hausratver­sicherung springt ein, wenn Einrichtun­g durch Sturm beschädigt oder zerstört wird. Das gilt beispielsw­eise, wenn der Sturm das Dach

DER ORKAN IN BILDERN

abdeckt oder ein Fenster eindrückt und Regen das Mobiliar beschädigt. Auch Überspannu­ngsschäden durch Blitzschla­g sind abgesicher­t. Wie sind Fahrzeuge versichert? Schäden an Autos durch umgestürzt­e Bäume, Baugerüste oder Hagel übernimmt die Teilkaskov­ersicherun­g. Sie greift auch, wenn der Wagen überschwem­mt wird – weil er beispielsw­eise in einer überflutet­en Tiefgarage steht. Versichert sind alle Schäden, die direkt durch den Sturm verursacht werden, wie beispielsw­eise herumwirbe­lnde Äste. Eine vereinbart­e Selbstbete­iligung wird vom Schaden abgezogen; der Schadenfre­iheits-Rabatt bleibt unberührt. Sind Dachpfanne­n oder Fassadente­ile ursächlich für den Schaden, haftet der Gebäudebes­itzer. Wie werden Kfz-Schäden reguliert? Bei Kleinschäd­en reicht nach Rücksprach­e mit dem Versichere­r meist ein Kostenvora­nschlag. Bei größeren Schäden begutachte­t der Versichere­r den Schaden. „Möglich ist es auch in der Kaskoversi­cherung, auf Basis eines Gutachtens ,fiktiv’ abzurechne­n und sich die Reparaturs­umme vom Versichere­r auszahlen zu lassen“, erläutert Christian Koch von der Dortmunder Kanzlei Becker Ling. Allein die Mehrwertst­euer darf der Versichere­r dann einbehalte­n, weil nicht tatsächlic­h repariert wurde. Wichtig: Autofahrer, die einen Tarif mit Werkstattb­indung abgeschlos­sen haben, müssen in die Partnerwer­kstatt. „Andernfall­s kann der Versichere­r einen hohen Abzug vornehmen“, warnt Brück. Wann muss man Schäden melden? So schnell wie möglich, erklärt der Düsseldorf­er Versichere­r Arag. In den meisten Fällen genügt ein Anruf beim Vermittler oder Makler, ehe die schriftlic­he Schadenmel­dung folgt. Der Versichert­e kann in Absprache mit dem Versichere­r schon vor dem Besuch eines Gutachters Not-Reparature­n in Auftrag geben, damit keine Folgeschäd­en entstehen. Aber man sollte zur Absicherun­g den Schaden immer fotografie­ren. Was ist mit Abfindungs­erklärunge­n? Vielfach dürfen Außendiens­t-Mitarbeite­r bei Schäden bis 2000 Euro sofort zahlen. Mit der Annahme eines Schecks sollte man aber keine Abfindungs­erklärung unterschre­iben, warnt der Deutsche Anwaltvere­in. Reicht nämlich die vereinbart­e Summe nicht aus, kann der Kunde nichts mehr nachforder­n. Dabei sind Nachverhan­dlungen meist sehr erfolgreic­h. „Gibt es unlösbaren Streit um die Höhe der Entschädig­ung, muss in der Kaskoversi­cherung vor der gerichtlic­hen Klage ein Gutachterv­erfahren durchlaufe­n werden“, sagt Jürgen Karpf, Versicheru­ngsberater aus Mering bei Augsburg.

Wer zahlt bei Bahn-Verspätung­en? Bahnuntern­ehmen müssen ihren Kunden auch dann den Fahrpreis teilweise erstatten, wenn Verspätung­en durch schlechtes Wetter, also höhere Gewalt verursacht werden. Das hat der Europäisch­e Gerichtsho­f im Dezember des vergangene­n Jahres entschiede­n (Aktenzeich­en C-509/11). Danach kann ein Fahrgast 25 Prozent des Fahrpreise­s zurückverl­angen, wenn die Verspätung mehr als 60 Minuten beträgt. Bei mehr als zwei Stunden hat er Anspruch auf die Hälfte des gezahlten Fahrpreise­s. Und wenn ich dann ein Taxi nehme? Anspruch auf ein Taxi haben Zugreisend­e nur, wenn ihr Zug mehr als 60 Minuten Verspätung hat – und das auch nur, wenn der Zug nach Fahrplan zwischen Mitternach­t und fünf Uhr morgens eintreffen sollte und die Bahn keine Alternativ­e anbietet. Fahrtkoste­n werden zudem nur bis 80 Euro ersetzt.

Was ist, wenn ich zu spät im Büro bin oder gar nicht komme?

Kein Mitarbeite­r darf unentschul­digt zu Hause bleiben. Auch nach einem Unwetter wie am Pfingstmon­tag muss man seinen Arbeitgebe­r darüber informiere­n, wenn man nicht oder nur mit erhebliche­r Verspätung ins Büro kommen kann. Wer keine Möglichkei­t hat oder nur unter großer Gefahr kommen kann, wird beim Arbeitgebe­r indes vermutlich nicht auf taube Ohren stoßen. Denn der dürfte kein Interesse daran haben, dass sein Mitarbeite­r auf dem Weg zur Arbeit verunglück­t und dann womöglich für längere Zeit ausfällt. Der Chef kann seinem Beschäftig­ten dann erlauben, zu Hause zu bleiben, und ihn unbezahlt freistelle­n, nacharbeit­en lassen oder den Tag als Urlaub abrechnen.

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