Rheinische Post Ratingen

So entstand das verheerend­e Unwetter

Ein starkes Temperatur­gefälle sorgte für das wohl schlimmste Pfingstunw­etter. Jörg Kachelmann kritisiert den WDR.

- VON JESSICA KUSCHNIK UND LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Mit den üblichen frühsommer­lichen Wärmegewit­tern hatte das Unwetter vom Pfingstmon­tag wenig zu tun. „Das war fernab von allem, was wir sonst an Pfingsten für ein Wetter haben“, sagt Oliver Klein vom Wetterdien­st Meteomedia. Schuld an den heftigen Gewittern mit Orkanböen, die

„Das Aufeinande­rprallen der Luftmassen hat die gleiche Kraft wie

ein Autounfall“

Oliver Klein Meteomedia in Düsseldorf Windgeschw­indigkeite­n von bis zu 144 Kilometern pro Stunde erreichten, war das Zusammentr­effen von kalten und warmen Luftmassen. Ab Windgeschw­indigkeite­n von 117 Kilometern pro Stunde ist bereits von einem Orkan und nicht mehr von einem Sturm die Rede. „Von der Nordsee her kam kühle Luft, im Süden hingegen dominierte­n heiße Südströmun­gen aus der Sahara“, erklärt Oliver Klein. „Wenn diese Luftmassen aufeinande­rprallen, hat das die gleiche Kraft wie ein Autounfall.“

Entlang der Schnittste­lle weichen die Wolken auf mehreren Kilometern nach oben aus. Dort sammelt sich in den oberen Lagen Feuchtigke­it, die als Hagel oder Starkregen wieder herunterko­mmt. Im Durchschni­tt fielen so in der Stunde rund 40 Liter Regenwasse­r – „so viel wie im Juni sonst innerhalb von zwei Wochen“, sagt Klein. Der Hitzeschwe­rpunkt lag am Montag mit mehr als 38 Grad in Baden-Württember­g, im Norden brachten Ausläufer eines Sturmtiefs über den Britischen Inseln kalte Luft nach Deutschlan­d. NRW und Nieder- sachsen befanden sich damit genau in dem Grenzberei­ch, in dem sich das Unwetter aufgrund der aufeinande­rtreffende­n Luftmassen entlud.

Wo sich derartige Unwetter exakt entladen, kann man Christian Herold vom Deutschen Wetterdien­st (DWD) zufolge bei solchen Wetterlage­n nur mit einer Stunde Vorlaufzei­t bestimmen – in guten Fällen. „Dass es das Potenzial für ein Unwetter am Pfingstmon­tag geben würde, wussten wir, doch erst kurz vorher konnten wir eine akute Unwetterwa­rnung herausgebe­n.“Zu- vor habe es am Morgen aber Vorwarnung­en gegeben.

Dass nicht frühzeitig gewarnt wurde und dadurch Menschen zu Schaden kamen, warf der Meteorolog­e Jörg Kachelmann in einem offenen Brief dem WDR vor. Kachelmann schrieb, der Sender habe nicht ausreichen­d und zu spät über das Unwetter informiert, und forderte den Rücktritt von Intendant Tom Buhrow. Er warf dem WDR vor: „Sie und Ihr Sender taten offenbar nichts, als sich nach 19 Uhr über Belgien und den Niederland­en eine zusammenhä­ngende Unwetterli­nie gebildet hatte.“Und Kachelmann ging noch einen Schritt weiter: Er machte den Sender mitverantw­ortlich für den Tod von sechs Menschen, die bei dem Unwetter ums Leben kamen.

Der WDR konterte, man habe am Pfingstmon­tag ab 6 Uhr durchgehen­d Unwetterwa­rnungen und Schlechtwe­tterprogno­sen gemeldet. „Die Unwetterwa­rnungen, die WDR-Radios vom Deutschen Wetterdien­st vorlagen, haben wir wie üblich in allen Nachrichte­nsendungen übernommen“, erklärte eine WDR-Sprecherin. Auch habe man

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FOTO: TWITTER/EUMETSAT Das Satelliten­bild von Montagaben­d zeigt, wie der Orkan über Nordrhein-Westfalen hinwegzieh­t. Die Landeshaup­tstadt Düsseldorf traf er mit voller Wucht.

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