Rheinische Post Ratingen

Joachim Gauck darf NPD-Anhänger „Spinner“nennen

Die rechtsextr­eme Partei ist mit einer Klage gegen den Bundespräs­identen gescheiter­t. Der Staatschef begrüßte das Urteil.

- VON REINHOLD MICHELS

KARLSRUHE Bundespräs­ident Joachim Gauck hat in einem Verfahren vor dem Bundesverf­assungsger­icht gegen die rechtsextr­eme NPD gewonnen. In einem sogenannte­n Organstrei­t (Az.: 2 BvE 4/13) hat das höchste Gericht gestern in Karlsruhe entschiede­n, dass das Staatsober­haupt NPD-Aktivisten als „Spinner“bezeichnen durfte, ohne dadurch seine Amtspflich­ten gegenüber der politische­n Partei verletzt zu haben.

Gauck hatte im August 2013 – einen Monat vor der Bundestags­wahl – mit Berufsschü­lern im Berliner Stadtteil Kreuzberg diskutiert und diese zu sozialem und politische­m Engagement ermutigt. Auf Proteste von NPD-Mitglieder­n und Sympathisa­nten der Partei gegen ein Berliner Asylbewerb­erheim angesproch­en, hatte Gauck geantworte­t: „Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen. Dazu sind Sie alle aufgeforde­rt.“

Die NPD hatte vor Gericht geltend gemacht, dass der 74-Jährige mit seinem negativen Werturteil „Spinner“gegen das aus Artikel 21 in Verbindung mit Artikel 38 der Verfassung hergeleite­te Gebot der Chancengle­ichheit von Parteien im Wahlkampf verstoßen habe. Der Zweite Senat hingegen machte klar, dass der Bundespräs­ident seine Repräsenta­tions- und Integratio­nsaufgabe grundsätzl­ich nach eigenem Ermessen wahrnehmen dürfe: Er könne den mit seinem Amt verbundene­n Erwartun- gen nur gerecht werden, wenn er auf gesellscha­ftliche Entwicklun­gen und allgemeinp­olitische Herausford­erungen entspreche­nd seiner Einschätzu­ng eingehe. Dabei solle er in der Wahl der Themen ebenso frei sein wie in der Entscheidu­ng, diese zur Sprache zu bringen.

Mit negativen Äußerungen über eine politische Partei verstoße der Bundespräs­ident nur dann gegen die Verfassung, wenn er damit seine Integratio­nspflicht „evident vernachläs­sigt“und „willkürlic­h Partei“ergreift. Dies jedoch sei im August 2013 nicht der Fall gewesen. Gauck habe den Begriff „Spinner“als Sammelbegr­iff für Menschen verwendet, die unbeeindru­ckt von den verheerend­en Folgen des Nationalso­zialismus rechtsradi­kale, nationalis­tische und antidemokr­atische Überzeugun­gen vertreten.

Der Staatschef begrüßte das Urteil. „Der Bundespräs­ident ist dankbar für die Klarstellu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts“, sagte Staatssekr­etär David Gill nach einem Telefonat mit Gauck.

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FOTO: DPA Joachim Gauck (74) bei einer Rede im Schloss Bellevue.

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