Rheinische Post Ratingen

Ein Besuch in Kloses Geburtssta­dt Oppeln

- VON ANDRÉ SCHAHIDI

OPPELN/DÜSSELDORF Luiz Nazario da Lima betet. An sich ist das jetzt nichts Ungewöhnli­ches, schließlic­h ist der Mann Brasiliane­r – und morgen beginnt die Fußball-Weltmeiste­rschaft. Doch Luiz Nazario da Lima, besser bekannt als TorjägerLe­gende Ronaldo, betet nicht für den Erfolg der „Seleçao“, zumindest nicht primär. Er betet dafür, dass ein Deutscher keine Tore schießt. Er betet gegen Miroslav Klose.

Der Stürmer schickt sich nämlich an, Ronaldo seinen einmaligen Rekord streitig zu machen. 15 Tore erzielte dieser bei WM-Endturnier­en.

„Natürlich ist Klose

für die Kinder hier immer noch

ein Vorbild“

Jerzy Kostorz Sportpfarr­er in Oppeln Klose steht bei 14 Treffern. Noch zwei, und „O Fenomeno“wäre seine Bestmarke los. „Das würde mir sehr viel bedeuten und treibt mich an“, betont Klose, der am Montag seinen 36. Geburtstag feierte. Es ist seine letzte Teilnahme an einer WM-Endrunde, seine letzte Chance, den Rekord zu holen. Es wäre die Krönung einer Fußballkar­riere, die wohl einmalig ist.

Begonnen hat alles in Opole, einer kleinen Stadt in Schlesien. Einst deutsch, gehört „Oppeln“heute zu Polen. Hier wurde Miroslav Klose am 9. Juni 1978 als Sohn eines Fußballerp­rofis und einer HandballNa­tionalspie­lerin geboren. Josef Klose, der Vater, spielte für Odra Opole, einst stolzer Erstligist. Heute fristet der Klub sein Dasein in der Drittklass­igkeit. Das Stadion, eingebette­t zwischen hässlichen Wohnsilos, hat schon bessere Tage gesehen. Drei Ränge sind von Gras überwu- chert, einzig die Haupttribü­ne sieht noch brauchbar aus. Oben auf dem Graswall steht Janusz Oleksyn, es ist ein Montag, Odra spielt nicht, aber er steht trotzdem hier. „Wir brauchen nur noch die Haupttribü­ne, es kommt eh keiner mehr“, sagt Oleksyn.

Früher, als Odra noch einen Namen hatte, stand der Oppelner ebenfalls hier. „Ich war immer da“, sagt er. Auch als Odra zum einzigen Mal im Europapoka­l antrat – 1977 gegen Magdeburg. Mit Josef Klose. „Den mochte ich“, sagt Oleksyn. Gleiches gilt auch für dessen Sohn Miroslav. Wenn auch nicht ganz so hingebungs­voll. „Er spielt halt für das falsche Land“, sagt Oleksyn. „Aber da Polen bei der WM nicht vertreten ist, werde ich ihm natürlich die Daumen drücken.“

Von einer Klose-Euphorie kann in Oppeln jedoch keine Rede sein. Trikots mit seinem Schriftzug gibt es in den Sportgesch­äften der Stadt nicht. Jerzy Kostorz hat dafür eine Erklärung. „Klose ist nicht oft hier. Man hat manchmal den Eindruck, er hat seine Heimat vergessen.“Kostorz ist Sportpfarr­er, so nennt er sich jedenfalls selbst. Er trägt ein Priesterge­wand und eine Trainingsj­acke. „Natürlich ist Klose für die Kinder hier immer noch ein Vorbild“, sagt Kostorz. „Aber ein Lukas Podolski ist im Vergleich der größere Star, der kümmert sich.“Und das, obwohl „Poldi“aus dem 70 Kilometer entfernten Gleiwitz kommt. Für Klose gab es sogar Pfiffe vor drei Jahren, als er mit Deutschlan­d in Danzig gegen Polen spielte. „Das hat ein bisschen wehgetan“, gibt der Stürmer zu.

Es ist das Schicksal eines Miroslav Klose, zwischen den Welten beurteilt zu werden. Er ist Deutscher, spricht mit Frau und Kindern aber Polnisch. Zur Profikarri­ere musste er den Umweg Bezirks- und Regionalli­ga nehmen, absolviert­e mit 22 sein erstes Bundesliga-Spiel im Dress des 1. FC Kaiserslau­tern. Das war im Jahr 2000. Zwei Jahre später war er Vize-Weltmeiste­r. Hinzu kamen Meistertit­el mit Bayern München, DFB-Pokalsiege und der Triumph in der Coppa Italia.

Im Testspiel gegen Armenien (6:1) knackte Klose vergangene Woche zu guter Letzt den Uralt-Torrekord von Gerd Müller. Der Treffer in Mainz zum 4:1 war zugleich sein 69. Länderspie­ltor. Während Müller, Stürmersta­r des FC Bayern, für seine 68 Volltreffe­r nur 62 Einsätze benötigte, war Klose bislang 132 Mal für die deutsche Nationalma­nnschaft aktiv.

Und trotzdem, da ist wieder die Sache mit der Wertschätz­ung. Der britische „Guardian“wählte Klose – trotz seiner 14 WM-Tore – unlängst nicht in seine Liste der 100 besten WM-Spieler aller Zeiten. Und auch hierzuland­e fragen sich die Anhänger, ob Klose mit seinen 36 Jahren nicht zu alt für die WM ist. Die Bedenken sind verständli­ch, schließlic­h hatte Klose in der vergangene­n Saison beim italienisc­hen Erstligist­en Lazio Rom immer wieder mit seinem Körper zu kämpfen. Auch jetzt ist die WM-Form noch nicht ganz da. „Er ist noch nicht bei 100 Prozent“, sagt Bundestrai­ner Joachim Löw.

Doch wenn das Turnier am Montag für Deutschlan­d gegen Portugal losgeht, wird er da sein. „Klose ist ein Turnierspi­eler“, sagt Pfarrer Kostorz. Der Gedanke, dass ein WM-Rekordtors­chütze aus seiner Stadt kommen könnte, zaubert ihm ein Lächeln ins Gesicht.

 ?? FOTOS: ANDRE SCHAHIDI (2), DPA ?? Das Stadion, in dem Drittligis­t Odra Oppeln seine Heimspiele austrägt, hat schon bessere Zeiten erlebt. 3300 Sitzplätze bietet die Anlage, für die Gästefans gibt es 500 Stehplätze.
FOTOS: ANDRE SCHAHIDI (2), DPA Das Stadion, in dem Drittligis­t Odra Oppeln seine Heimspiele austrägt, hat schon bessere Zeiten erlebt. 3300 Sitzplätze bietet die Anlage, für die Gästefans gibt es 500 Stehplätze.
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In Oppeln geboren: Fußball-Nationalsp­ieler Miroslav Klose.
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Als Sportpfarr­er in Oppeln unterwegs: Jerzy Kostorz.

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