Ein Besuch in Kloses Geburtsstadt Oppeln
OPPELN/DÜSSELDORF Luiz Nazario da Lima betet. An sich ist das jetzt nichts Ungewöhnliches, schließlich ist der Mann Brasilianer – und morgen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft. Doch Luiz Nazario da Lima, besser bekannt als TorjägerLegende Ronaldo, betet nicht für den Erfolg der „Seleçao“, zumindest nicht primär. Er betet dafür, dass ein Deutscher keine Tore schießt. Er betet gegen Miroslav Klose.
Der Stürmer schickt sich nämlich an, Ronaldo seinen einmaligen Rekord streitig zu machen. 15 Tore erzielte dieser bei WM-Endturnieren.
„Natürlich ist Klose
für die Kinder hier immer noch
ein Vorbild“
Jerzy Kostorz Sportpfarrer in Oppeln Klose steht bei 14 Treffern. Noch zwei, und „O Fenomeno“wäre seine Bestmarke los. „Das würde mir sehr viel bedeuten und treibt mich an“, betont Klose, der am Montag seinen 36. Geburtstag feierte. Es ist seine letzte Teilnahme an einer WM-Endrunde, seine letzte Chance, den Rekord zu holen. Es wäre die Krönung einer Fußballkarriere, die wohl einmalig ist.
Begonnen hat alles in Opole, einer kleinen Stadt in Schlesien. Einst deutsch, gehört „Oppeln“heute zu Polen. Hier wurde Miroslav Klose am 9. Juni 1978 als Sohn eines Fußballerprofis und einer HandballNationalspielerin geboren. Josef Klose, der Vater, spielte für Odra Opole, einst stolzer Erstligist. Heute fristet der Klub sein Dasein in der Drittklassigkeit. Das Stadion, eingebettet zwischen hässlichen Wohnsilos, hat schon bessere Tage gesehen. Drei Ränge sind von Gras überwu- chert, einzig die Haupttribüne sieht noch brauchbar aus. Oben auf dem Graswall steht Janusz Oleksyn, es ist ein Montag, Odra spielt nicht, aber er steht trotzdem hier. „Wir brauchen nur noch die Haupttribüne, es kommt eh keiner mehr“, sagt Oleksyn.
Früher, als Odra noch einen Namen hatte, stand der Oppelner ebenfalls hier. „Ich war immer da“, sagt er. Auch als Odra zum einzigen Mal im Europapokal antrat – 1977 gegen Magdeburg. Mit Josef Klose. „Den mochte ich“, sagt Oleksyn. Gleiches gilt auch für dessen Sohn Miroslav. Wenn auch nicht ganz so hingebungsvoll. „Er spielt halt für das falsche Land“, sagt Oleksyn. „Aber da Polen bei der WM nicht vertreten ist, werde ich ihm natürlich die Daumen drücken.“
Von einer Klose-Euphorie kann in Oppeln jedoch keine Rede sein. Trikots mit seinem Schriftzug gibt es in den Sportgeschäften der Stadt nicht. Jerzy Kostorz hat dafür eine Erklärung. „Klose ist nicht oft hier. Man hat manchmal den Eindruck, er hat seine Heimat vergessen.“Kostorz ist Sportpfarrer, so nennt er sich jedenfalls selbst. Er trägt ein Priestergewand und eine Trainingsjacke. „Natürlich ist Klose für die Kinder hier immer noch ein Vorbild“, sagt Kostorz. „Aber ein Lukas Podolski ist im Vergleich der größere Star, der kümmert sich.“Und das, obwohl „Poldi“aus dem 70 Kilometer entfernten Gleiwitz kommt. Für Klose gab es sogar Pfiffe vor drei Jahren, als er mit Deutschland in Danzig gegen Polen spielte. „Das hat ein bisschen wehgetan“, gibt der Stürmer zu.
Es ist das Schicksal eines Miroslav Klose, zwischen den Welten beurteilt zu werden. Er ist Deutscher, spricht mit Frau und Kindern aber Polnisch. Zur Profikarriere musste er den Umweg Bezirks- und Regionalliga nehmen, absolvierte mit 22 sein erstes Bundesliga-Spiel im Dress des 1. FC Kaiserslautern. Das war im Jahr 2000. Zwei Jahre später war er Vize-Weltmeister. Hinzu kamen Meistertitel mit Bayern München, DFB-Pokalsiege und der Triumph in der Coppa Italia.
Im Testspiel gegen Armenien (6:1) knackte Klose vergangene Woche zu guter Letzt den Uralt-Torrekord von Gerd Müller. Der Treffer in Mainz zum 4:1 war zugleich sein 69. Länderspieltor. Während Müller, Stürmerstar des FC Bayern, für seine 68 Volltreffer nur 62 Einsätze benötigte, war Klose bislang 132 Mal für die deutsche Nationalmannschaft aktiv.
Und trotzdem, da ist wieder die Sache mit der Wertschätzung. Der britische „Guardian“wählte Klose – trotz seiner 14 WM-Tore – unlängst nicht in seine Liste der 100 besten WM-Spieler aller Zeiten. Und auch hierzulande fragen sich die Anhänger, ob Klose mit seinen 36 Jahren nicht zu alt für die WM ist. Die Bedenken sind verständlich, schließlich hatte Klose in der vergangenen Saison beim italienischen Erstligisten Lazio Rom immer wieder mit seinem Körper zu kämpfen. Auch jetzt ist die WM-Form noch nicht ganz da. „Er ist noch nicht bei 100 Prozent“, sagt Bundestrainer Joachim Löw.
Doch wenn das Turnier am Montag für Deutschland gegen Portugal losgeht, wird er da sein. „Klose ist ein Turnierspieler“, sagt Pfarrer Kostorz. Der Gedanke, dass ein WM-Rekordtorschütze aus seiner Stadt kommen könnte, zaubert ihm ein Lächeln ins Gesicht.