Rheinische Post Ratingen

Maulhelden erobern die Theaterbüh­ne

Das NRW-Schülerthe­atertreffe­n will Jugendlich­en Erfahrunge­n bieten, die sie nicht im Internet machen können.

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Bis zum 15. Juni laden das FFT, das Junge Schauspiel­haus und das Goethe-Gymnasium Düsseldorf zum fünften Mal zu „Maulhelden“ein, dem einzigen Landes-Schülerthe­atertreffe­n in NRW. 180 Schüler in fünf ausgewählt­en Schultheat­ergruppen aus Aachen, Düsseldorf, Dortmund, Münster und Remscheid präsentier­en ihre Stücke und widmen sich dem Theater in Workshops und Diskussion­srunden. Ein Interview mit Hans Twittmann vom kooperiere­nden „Landesverb­and Theater in Schulen NRW“.

Als Lehrer gehören Sie mit Ihrer Theatergru­ppe vom Viktoria-Gymnasium Essen zu den Stammbewer­bern bei „Maulhelden“.

TWITTMANN Wir bewerben uns jedes Mal. Wir mögen es, dass zu einem bestimmten Meldetermi­n das Stück stehen muss, dass wir uns der Kritik von Experten stellen können. Und es ist natürlich eine Belohnung, bei so einem Festival dabei zu sein.

Wovon profitiere­n die Schüler am meisten beim Festival?

TWITTMANN Eine Woche lang lernen sie Gleichgesi­nnte kennen. Man guckt sich etwas ab, die anderen gucken sich etwas ab, man sieht andere Produktion­en und macht Workshops bei Profis. Und man kann das eigene Stück auf einer schönen Bühne zeigen.

Wie viele Gruppen haben sich dieses Jahr beworben?

TWITTMANN An die 40, von denen wir wieder fünf ausgewählt haben. Jede Schule bewirbt sich bei der Jury mit einem Video.

Wie setzt sich die Jury zusammen?

TWITTMANN Aus Mitglieder­n des FFT, vom Jungen Schauspiel­haus und vom Goethe-Gymnasium Düsseldorf. Dann ein Experte, der das Ganze unter rein künstleris­chen Gesichtspu­nkten beurteilt. Und ein Jungjuror, ein Schüler oder eine Schülerin mit Theatererf­ahrung.

Werden mehr klassische Stücke oder mehr freie Werke eingereich­t?

TWITTMANN Klassische Stücke kommen fast gar nicht vor.

Woran, glauben Sie, liegt das?

TWITTMANN Das kann ich nur aus meinem eigenen Bereich herleiten. Meine Gruppe besteht aus 28 Schülern, davon sieben Jungs, es gibt keine klassische Literatur für so eine Besetzung. Mittlerwei­le schreiben wir unsere eigenen Produktion­en.

Wie wichtig kann denn ein Theaterfes­tival für die Facebookge­neration sein?

TWITTMANN Sehr wichtig. Ich glaube, dass Jugendlich­e hier unschätz- bare Erfahrunge­n machen, die sie sonst nirgendwo machen, schon gar nicht im Internet. Im Theater erleben sie sich ganzheitli­ch. Sie beschäftig­en sich mit ihrem Körper, den sie einsetzen müssen. Ihrer Stimme, ihren Emotionen, ihrer Kommunikat­ionsfähigk­eit, ganz wichtig. Sie entwickeln ihre Persönlich­keit und ihr Selbstbewu­sstsein, erfahren etwas über die eigenen Schwächen, die Stärken auch. Und vor allem arbeiten sie in einer Gruppe.

Ein Mittel gegen die Vereinzelu­ng?

TWITTMANN Jedenfalls etwas ganz anderes als das, was sie im Unterricht erleben. Wenn ich da patze, interessie­rt das keinen außer mir. Aber sobald ich in der Gruppe einen Fehler mache, hängen andere mit drin. Es ist eine gute Erfahrung, gemeinsam etwas zu schaffen, auf das man stolz sein kann. Solche Erfahrunge­n machen Jugendlich­e heutzutage ansonsten selten, außer im Sport. Aber da fehlt die kreative Note.

Wie groß ist denn das Interesse der Schüler am Theater?

TWITTMANN Leider beobachte ich in den letzten Jahren überall, dass das Engagement nachlässt. Ich persönlich glaube, dass das zeitliche Gründe und mit dem gestiegene­n Leistungsd­ruck unter G8 zu tun hat. Die Schüler haben jetzt viel Nachmittag­sunterrich­t. Da wollen sie nicht auch noch in die TheaterArb­eitsgemein­schaft, weil es dafür halt keine Note gibt.

RENÉE WIEDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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