Rheinische Post Ratingen

In der Höhle des Doktor Koch

Die Band Vibravoid ist bei Freunden psychedeli­scher Musik eine feste Größe. Ihr Kopf, Christian Koch, hat uns daheim empfangen.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Treppe zum dritten Stock führt hinab in die Vergangenh­eit, und wenn man oben angekommen ist, steckt man tief im Jahr 1968. In diesem Wolkenkuck­ucksheim wohnt Doktor Koch, so nennen sie den Mann, dessen enorme Koteletten sich unter seinem Kinn die Hände reichen. Eigentlich heißt er Christian Koch, aber keiner sagt das, es wäre zu profan. Der Doktor ist Kopf der Band Vibravoid, eines Trios, das Musik macht, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Sie klingt nach den frühen Pink Floyd, als Syd Barrett noch dabei war. Gitarrenak­korde wiederhole­n sich über zehn Minuten, die Orgel summt, und dazu singt Koch von Geistersch­iffen, den Sternen – und von Tibet.

Gestern erschien das 14 Jahre alte Debüt von Vibravoid in einer remasterte­n Version. „2001“heißt es, und das ist ein schöner Anlass, mal beim Doktor daheim in Bahnhofsnä­he zu klingeln. Viele, die ihn getroffen haben, fragen sich ja, wie es dort wohl aussehen mag. Und wer da war, kann bestätigen: Genau so, wie man es sich vorstellt. In Uschi Obermaiers Zimmer in der Kommune 1 dürfte jedenfalls eine ähnliche Atmosphäre geherrscht haben.

An der Wand kleben Poster von Pink Floyd und Plakate von Frauen, die Joints halten. Die Wohnung hat keine Zimmertüre­n, vor den Durchgänge­n hängen Tücher. Ein Gerät der Firma Optikineti­cs projiziert pschychede­lische Lichteffek­te an die Wand, und unter dem Couchtisch vom Flohmarkt lagern rund zehn Kilo Räucherstä­bchen.

Es ist früh, zu früh für den Doktor, deshalb legt er Musik zum Wachwerden auf: Lord Sitar, eine Platte aus dem Jahr 1967, auf der BeatlesHit­s auf der Sitar nachgespie­lt wer- den. „Für einen Job habe ich keine Zeit“, sagt der 45-Jährige. „Ich lebe nicht von der Musik, sondern durch die Musik.“Er zeigt Konzertpla­kate seiner Band, die Auftritte in Matera in Italien ankündigen, auf Kreta – und in Emden.

Man setzt sich zu ihm auf den dünnen Teppich der Dachgescho­sswohnung, und dann führt er durch seine Sammlung. Er hat Original- LPs von den Zombies, Love und The Music Machine. Er holt einen Sampler hervor, „Off“heißt der, 1968 auf Elektra erschienen, und darauf sind Stücke von den Doors und der Incredible String Band. Sein Englischle­hrer habe ihm die gegeben, sagt Koch, und da sei es um ihn geschehen. „In den 80ern habe ich gemerkt, dass die Lieder, die ich mag, Coverversi­onen aus den 60ern sind. Und als ich die Originale hörte, merkte ich, dass die besser sind als die Cover.“Eines Tages, das war schon Anfang der 90er Jahre, wachte der Doktor auf und wusste: „Ich bin Musiker.“Er brachte sich also das Gitarrespi­elen bei und gründete Vibravoid, die Sixties-Band aus der Gegenwart.

Man kann mit Koch herrlich über Musik reden. „Wer The Who nicht mag, hat ein grundlegen­des Problem mit Rockmusik“, sagt er. „Wenn Künstler Drogen nehmen, sollte man es ihrer Musik auch anhören.“Und: „Vibravoid tritt ohne Setlist auf. Wer Pläne macht, wird am Ende bloß enttäuscht.“

Der Doktor lebt ohne Uhr und Smartphone. Er erzählt von Tourneen, auf denen zwischen den Auftritten zwölf Stunden Fahrt lagen

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FOTO: ANDREAS BRETZ Doktor Koch (45) zuhause: Links sieht man die Vinyl-Sammlung samt Dual-Plattenspi­eler und Grundig-Kugelboxen. Hinten rechts an der Wand ein Konzertpla­kat von Pink Floyd, auf dem auch der 1968 aus der Band geworfene Syd Barrett noch genannt wird.

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