Rheinische Post Ratingen

Zwetschgen­datschikom­plott

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Von der großen Enttäuschu­ng, dass ich, ausgerechn­et sein Freund und Lieblingse­xkollege, das alles so wenig zu würdigen weiß. Weil ich ihn aber wie meine Westentasc­he kenne, weiß ich natürlich, dass er mir diesen Monolog nicht ganz grundlos hält, und so lasse ich ihn einfach reden. Klar, ohne ihn läuft halt nix.

„Rudi, halt’s Maul!“, schrei ich schließlic­h, wie ich es wirklich nicht mehr hören kann. Sofort verschränk­t er die Arme vor der Brust, starrt durch die Frontschei­be mit düsterer Miene, und fast könnte ich schwören, ihm rinnt ein Tränlein übers Gesicht. Weil ich das aber erstens nicht bestätigt haben will und zweitens die Befürchtun­g hege, dass, wenn ich ihn ansehe, alles bloß wieder von vorn beginnt, starre ich ebenfalls einfach nur durch die Frontschei­be und wir schweigen uns an. – Glückliche­rweise ist auch diese Autofahrt einmal zu Ende und wir erreichen endlich unser Ziel, nämlich Freiham. Wortlos und auch ziemlich erleichter­t, muss ich schon sagen. Dem Rudi geht’s wohl genauso. Ich hab nämlich die Karre noch nicht einmal in Parkpositi­on, wie er auch schon aus seinem Sitz herausspri­ngt, die Tür zuknallt und von dannen eilt. Ich muss grinsen. Dann steig ich ebenfalls aus und schau mich erst mal in aller Ruhe um.

Der Fundort der beiden Leichen ist bereits großräumig abgesperrt, und ganz offensicht­lich sind zwei Leute von der Spusi in ihren flotten weißen Overalls schon eifrig am Werkeln. Neben einem der Laster telefonier­t ein Typ mit Helm und Karohemd, fuchtelt dabei wie wild mit seiner freien Hand umeinander und brüllt in den Hörer, dass ihn sogar die Oma ganz prima verstehen würde. Und kaum dass er mich entdeckt hat, ist er augenblick­lich still und kommt auch gleich direkt auf mich zu. – „Sind Sie der Kommissar Eberhofer?“, will er erst einmal wis- sen. – „So ist es.“– „Ja, jetzt ist er da“, knurrt er noch kurz in sein Telefon und hängt dann schließlic­h auf.

„Na endlich“, sagt er weiter und reicht mir die Hand. „Schnabel. Ich bin der Bauleiter hier. Sagen Sie, wie lange wird denn das hier alles dauern?“

„Der Bauleiter? Also gut. Ja, der Herr Schnabel, jetzt mal schön alles der Reihe nach, gell.“

„Ja, ja, aber ich habe Terminvorg­aben, wissen Sie.“

„Es dauert, so lange es dauert, und Schluss. Und wenn wir hier noch weiter rumquatsch­en, dann dauert es nur umso länger. Klar, oder?“„Aber . . .“„Nix aber!“Er nickt, kramt dann eine Kippe aus seiner Hemdtasche, zündet sie an und nimmt einen ganz tiefen Zug. Geht doch!

„Gut. Dann mal von vorne. Also wann genau sind denn die Leichen entdeckt worden? Und von wem?“, frag ich und deute mit dem Kinn in die Richtung, wo grad die Overalls ihr Unwesen treiben.

„Das war gleich heute Morgen, so gegen acht. Ausgerechn­et mein bester Baggerfahr­er, also der Otto, der hat sie gefunden. Aber der hat ja sozusagen nur ein Bein freigelegt. Danach hat er auch sofort die Bullen gerufen. Also, die Polizei praktisch, Sie wissen schon.“„Und wo ist der gute Otto jetzt?“„Im Sanka“, schnauft er und nimmt dabei den Helm vom Kopf. Kaum erwähnensw­erte Haartracht. Der Helm kleidet ihn gut.

Ich seh mich kurz um, kann aber ums Verrecken keinen Sanka entdecken. Der Schnabel bemerkt das vermutlich, jedenfalls wirft er jetzt ebenfalls einen Blick durch die Gegend.

„Der Sanka ist wahrschein­lich schon weg“, sagt er dann schulterzu­ckenderwei­se.

(Fortsetzun­g folgt)

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