Rheinische Post Ratingen

Zwei Wüsten – mit und ohne Menschen

Eine der heißesten Wüsten der Erde ist die Dasht-e Lut im Iran. Sie ist absolut wasserlos, und es gibt keine Spuren menschlich­er Besiedelun­g. Dagegen leben in der Mauretanis­chen Sahara Nomadenfam­ilien. Eine Gegenübers­tellung.

- VON GUNDHILD TILLMANNS VON GUNDHILD TILLMANNS

Die Begegnung mit offenen, freundlich­en und vor allem würdevolle­n Menschen macht die Reise durch die Wüstenund Wüstenrand­zonen in Mauretanie­n zu einem besonders wertvollen Erlebnis. Nomaden, die in Zelten leben, die immer weiterzieh­en, wenn ihre Ziegen die karge Vegetation abgefresse­n haben, gibt es dort noch. Legendär ist ihre Gastfreund­schaft: Da wird auch eine Europäerin sofort mit einer Henna-Zeremonie begrüßt – und hat davon noch Monate später daheim ein knallrotes Andenken an Händen und Füßen.

Da wird für den Gast sogar eine Ziege geschlacht­et, dazu Couscous zubereitet und – eine Spezialitä­t in Mauretanie­n – mit drei Monate alter, ranziger Ziegenbutt­er übergossen. Probieren muss jeder die Kugeln mit der rechten Hand. Nicht selten werden die männlichen Besucher auch vom Clan-Chef gefüttert. Ein Tam-Tam, schnell mit einer umgekippte­n Schüssel als Schlagzeug arrangiert, mit Gesang und Tanz der jungen Frauen, beschließt den Abend bei den Nomaden, die übrigens hoch beleidigt wären, wenn man ihnen Geld für ihre Gastfreund­schaft zustecken wollte. Tee und Zucker, Seife, solche Gaben sind eher angebracht.

Die Nomaden in Mauretanie­n sind noch weitgehend authentisc­h in ihrem Einssein mit der Natur – auch weil das Land selten bereist wird. Die Mauretanie­r sind ein stolzes Volk, wobei sie alles andere als ein (!) Volk sind. Denn die alten Hierarchie­n bestehen auch nach der zumindest offiziell abgeschaff­ten Sklaverei noch weiter fort. Je heller die Haut, umso mehr Maure oder Araber, die die höchste Gesellscha­ftsschicht darstellen. Je dunkler die Haut, umso tiefer stehen die Menschen in der Rangfolge; ganz am Schluss auch heute noch die Schwarzen.

Dennoch ist Mauretanie­n mit seiner Wüste, dem Meer ohne Wasser, ein fasziniere­ndes Land. Es ist fast dreimal so groß wie Deutschlan­d und besteht zum großen Teil aus Wüste, der Sahara, die mit neun Millionen Quadratkil­ometern auf mehrere Länder verteilt die größten Wüste der Erde ist. Sogar Krokodile gibt es an zwei Stellen in Schluchten, riesige Dünenfläch­en, aber auch bizarre Gebirgsfor­mationen, immer wieder unterbroch­en von Oasen mit Palmenhain­en. Der Schöpfung ganz nah fühlt sich der Reisende in einer der heißesten Wüste der Erde – in der Dasht-e Lut im Osten des Iran. Die 166000 Quadratkil­ometer große, aus dem Urmeer entstanden­e Salzwüste ist bar jedweder Besiedelun­gsspuren. Wer diese Wüste erleben möchte, der muss klug seine Wasservorr­äte einteilen und auch alles andere Nötige dabei haben.

Die Lut ist eine andere Welt, wie ein anderer Planet mutet sie an. Als geomorphol­ogisches Phänomen ist sie zwar bei Wissenscha­ftlern bekannt, von Wüstenreis­enden aber bisher kaum entdeckt. Nur ganz wenige Reisegesel­lschaften bieten bislang Exkursione­n durch die Lut an. Umso begehrter sind die Plätze für absolute Wüsten-Fans. Denn die Dasht-e Lut fasziniert auch alte Wüstenfüch­se, die meinen, schon alles gesehen zu haben.

Noch mitten im Schöpfungs­prozess vermeint sich der Be- trachter in dieser Landschaft mit ihren verkrustet­en Steinstruk­turen. Einzigarti­g sind in der Lut die sogenannte­n Yardangs (Windhöcker) oder Kaluten, die sich über 120 Kilometer erstrecken. Diese versteiner­ten Dünen, oftmals mit einer scharfen Abbruchsei­te, stellen sich auf Satelliten­bildern wie durchgehen­de Gesteinsli­nien dar. Wenn man sie durchfährt oder durchwande­rt, zeigt sich dieses Naturphäno­men aber als ein unendlich anmutendes, hochkompli­ziertes Labyrinth von Gesteinssk­ulpturen, die bis zu mehr als 300 Meter hoch sind.

Diese Naturkunst­werke sind einer ständigen Veränderun­g durch die extremen Witterungs­verhältnis­se in der Lut ausgesetzt. Im Sommer wird es bis zu 55 Grad heiß, und das ganze Jahr weht ein Wind, der nicht selten Sturmstärk­en erreicht, um dann mit Abermillio­nen winziger Kieselstei­ne, wie mit einem Schleifmit­tel, die Yardangs zu formen.

Zu befahren ist die Dasht-e Lut mit Allradfahr­zeugen an manchen Stellen, wo der Sand besonders weich ist, eher schwierig. Leicht sanden die Fahrzeuge ein, aber das ist für geübte Wüstenfahr­er kein Problem. Mit Schaufeln, Sandbleche­n, Anschieben und Geduld werden solche Hinderniss­e bewältigt. Wer eine so gut wie unberührte Wüste kennenlern­en möchte, ist in der Lut genau richtig. Vor allem zivilisati­onsmüde Menschen können dort Erdung und Besinnen auf das Wesentlich­e finden.

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Mit Allradfahr­zeugen geht es auch durch weichen Wüstensand.
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FOTO: JÜRGEN THOREN Henna-Zeremonie für Autorin Gundhild Tillmanns in einem Nomadenzel­t.
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Solche Salzverkru­stungen sind typisch für die heiße Dasht-e Lut-Wüste im Iran.

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