Schätze aus der Kühltheke
100 Geschmacksrichtungen von Erdbeere bis Gamba: Miquel Solivellas Segui und seine Familie sind Zauberer mit der Eismaschine. Die meisten Sorten schmecken nach Sommer.
Die Frage nach der Lieblingssorte scheint ihn eiskalt erwischt zu haben. Miquel Solivellas Segui schaut erst aus der Tür Richtung Sommerhimmel, dann in die Auslage seines Geschäfts in der Carrer Montcada 9 mitten in Palma, in die vielen prall und mit unterschiedlich gefärbten Eis gefüllten Alubehälter unter seiner verglasten Theke. Und schließlich schaut er seine Frau Pola an. „Weiß ich nicht“, sagt er dann. Dabei ist er selbst Schuld daran, dass die Antwort so schwer fällt. Sie ist da resoluter – aber entscheidungsfreudiger ist sie am Ende auch nicht: „Alles“, sagt sie und scheint mit der rechten Hand einmal schwungvoll über das gesamte Sortiment in der lang gezogenen Vitrine zu wischen. „Wir mögen alles. So. Jede Sorte ist unsere Lieblingssorte.“
Miquel Solivellas ist der Eiskönig von Mallorca, hat die Eisdiele „Ca’n Miquel“mitten im Zentrum der Inselhauptstadt Palma an der Prachtstraße Avinguda Jaume III. 6 vor über 35 Jahren gegründet – nach einem halben Berufsleben als Konditor. Die Filiale an der Rückseite des Gebäudes mit Eingang in der Parallelstraße Carrer Montcada kam erst viel später dazu. Die Nachbarschaft ist exklusiv. Nebenan sind teure Boutiquen, gleich gegenüber vom Hauptgeschäft hat Juwelier Cartier seine mallorquinische Filiale und sicher- heitshalber die meiste Zeit einen uniformierten Wachmann vor der Ladentür postiert. Bei Familie Solivellas ist das anders: Die Schätze sind unbewacht – jeden Tag über 10 000 Kugeln Eis für stolze zwei Euro pro Stück. Statt Aufseher in Uniform steht dort eine Schlange – fast immer. Weil das Eis so lecker und die Auswahl so riesig ist. Und weil so originelle Geschmacksrichtungen dabei sind. „Die meisten schmecken nach Sommer.“Pola spricht es aus, Miquel nickt und strahlt. Und ist irgendwie erleichtert, nicht eine einzelne der allein 24 verschiedenen Schokoladen-Eis-Varianten auswählen zu müssen, nicht länger zur Festlegung zwischen Mandarine, Clementine, Orange, Pampelmuse, Kreationen. Sie sind es, die vor allem in den Wintermonaten anstehen, um Gamba- und Avocado-Eis in StyroporSchachteln abzuholen. Zuhause wird es dann als Beilage zum Hauptgang des Weihnachtsmenüs serviert – zu Fleisch oder Fisch, so selbstverständlich wie anderswo die Kräuterbutter. Vergangenes Jahr war Tomate-Zwiebel-Paprika der Renner zum Fest.
Über die Jahre haben die Solivellas’ eine Menge versucht – und manche Kreation wieder verworfen: Pfifferling-Eis war so ein Fall. Oder KnoblauchPetersilie. „Das klang gut, aber war dann doch kein wirklich großer Wurf“, erinnert sich das Eismacher-Ehepaar. Und manchmal blieb eine neue Kreation auf der Strecke, weil Miquel sich nicht entscheiden konnte, welche etablierte Variante von seinen 100 Lieblingssorten er aus dem Programm nehmen sollte, um Platz für einen neuen Geschmack zu schaffen.
Was das Erfolgsgeheimnis ist? Diesmal antwortet Miquel sofort: „Wir arbeiten ausschließlich mit frischem Obst, nicht mit Aromapulver oder Konzentraten wie viele Italiener. Und wir verwenden nach Möglichkeit Obst von der Insel, wann immer es jahreszeitlich passt. Damit unser Eis nach Mallorca schmeckt. Und wir kombinieren sechs verschiedene Zuckersorten mit den Früchten.“
Was für ein Wetter sich ein Eisdielen-Betreiber wünscht? Das weiß Pola sofort: „Einen bedeckten Tag. Dann läuft das Geschäft besser als bei strahlender Sonne. Denn nur dann kommen die Urlauber in Scharen nach Palma und möchten Eis. Bei Sonnenschein gehen sie zum Strand.“
Die Nachbarschaft ist exklusiv. Gegenüber vom Hauptgeschäft hat Juwelier Cartier seine Filiale