Der „störrische Esel“von Korsika
„Kawumm“hat’s hier noch nicht gemacht – bereits seit 56 Jahren nicht. So lange gibt es in umittelbarer Nähe zum 5000-Einwohner-Örtchen Calvi schon das Feriendorf „Zum störrischen Esel“in der im Nordwesten der Insel gelegenen Balagne, die wegen ihrer sanften Hügel und fruchtbaren Böden gerne auch „Garten Korsikas“genannt wird.
Das deutschsprachige Feriendorf ist seit der Gründung 1959 fest in österreichischer Hand. Daher ist es durchaus bemerkenswert, dass es nie zum Ziel korsischer Separatisten geworden ist – der Korse an sich mag ausländische Investoren, die an den Küsten dieser viertgrößten Mittelmeerinsel größere touristische Bauprojekte vorantreiben wollen, gemeinhin nicht sonderlich. Wovon zig Sprengstoffanschläge zeugen, die zum Großteil auf das Konto der 1976 gegründeten Korsischen Befreiungsfront gehen, die für die Unabhängigkeit Korsikas kämpft.
„Es ist freilich viel ruhiger geworden. Früher waren die Separatisten viel aktiver. Sie haben mittlerweile einige Rechte bekommen“, sagt Grete Müller, Ehefrau des FeriendorfGründers Kurt Müller. Der 79Jährige hat sich aus dem operativen Geschäft zwar schon vor längerer Zeit zurückgezogen, ist im „Störrischen Esel“aber nach wie vor sehr präsent.
1959 kam Müller, von Beruf Volksschullehrer, in den Ferien mit einigen Kumpels vom österreichischen Alpenverein Dornberg erstmals nach Calvi – und das nicht nur zum Wandern. „Sonne, Berge, Meer“, intoniert Kurt Müller seinen Dreiklang – praktiziert nach dem Credo des Alpenvereins: „Einfachheit, Natur, Kameradschaft“, kommt es bei Müller wie aus der Pistole geschossen.
Dafür fand er in Calvi ein ideales Basislager. Das Meer mit Sandstrand trennt von der Anlage nur ein Pinienwäldchen. In der anderen Richtung liegt direkt der Hausberg von Calvi, der 703 Meter hohe Capu di a Veta, von dem aus man eine prima Aussicht auf die Balagne, die Bucht von Calvi sowie auch den Monte Cinto hat, den mit 2706 Metern höchsten Berg Korsikas – natürlich eine Herausforderung für einen eingefleischten Alpinisten.
Das kleine (und improvisierte) Zeltlager der Österreicher wuchs mit den Jahren rasch – zunächst ohne formelle Baugenehmigungen. „Je mehr du weißt, desto weniger machst du“, bemerkt Kurt Müller dazu launig. Probleme mit den Einheimischen habe es aber nie gegeben. Müller und seine Mitstreiter kamen ja immer wieder, man lernte sich gegenseitig kennen und schätzen.
Wobei die Österreicher so manchem Korsen sicher auch ein wenig verrückt vorkamen – erst recht, als sie schon bald ein wuchtiges Gipfelkreuz auf den Capu di a Veta raufschleppten und dort aufstell- ten. Seitdem nennen auch Korsen den Berg schlicht den „Österreich-Berg“. Und als das Kreuz, das mehrere Jahrzehnte allen Wetterkapriolen erfolgreich getrotzt hatte, schließlich doch umfiel, vermissten die Einwohner von Calvi das so sehr, dass sie selbst ein neues dort aufstellten.
Dem Prinzip der Einfachheit ist das Feriendorf bis heute aber treu geblieben: einfache Bungalows ohne Schnickschnack, keine lärmende Animation, sondern Ruhe. „Wäre es anders, hätte es hier vielleicht auch mal ,kawumm‘ gemacht“, bemerkt trocken Michael Ofenhitzer, seit vielen Jahren Geschäftsführer im „Störrischen Esel“.
Doch nicht nur Strand und Hausberg locken. So lädt das malerische Fangotal zu einer ausgedehnten Wanderung am Fluss entlang ein. Dabei läuft Grete Müller, eine sehr rüstige Seniorin, munter vorne weg. Zeit für einen Plausch ist natürlich dennoch. „Korsen sind Bauern, keine Fischer. Die Küsten sind erst recht spät besiedelt worden. Landwirtschaft und Tourismus sind die wichtigsten Erwerbsquellen“, sagt sie. Industrie gebe es nur wenig – und daher auch nur wenige Umweltsünden. „Das Wasser ist hier sehr klar.“
Beim Zwischenstopp in Galeria verrät Gastwirt Stéphane Celeri-Spinosi, ein überzeugter Korse, was er vor allem an seiner Heimatinsel schätze: „Entschleunigung und viel wilde Natur.“Weniger entschleu- nigt geht es bei der Abfahrt mit dem Rad vom 1100 Meter hoch gelegenen Col de Battaglia ins auf 300 Meter liegenden Belgodère zu – kleiner Geschwindigkeitsrausch inklusive.
Die sehr vielfältige Flora der Insel schätzt nicht zuletzt die Kosmetikindustrie – die bezieht etliche ihrer Zutaten für Cremes und Düfte aus Korsika. Deren spezieller Duft hatte es übrigens auch dem berühmtesten Sohn der Insel angetan. „Ich würde Korsika mit verbundenen Augen am Duft erkennen“, sagte einst Napoleon Bonaparte, der auf der Insel am 15. August 1769 in Ajaccio geboren wurde.
Exakt dieses Geburtstagsdatum kommt den Korsen sehr entgegen. Denn ebenfalls am 15. August ist das Fest Maria Himmelfahrt. „Korsen verbinden sehr gerne kirchliche und weltliche Feste. Gerade am 15. August wird daher auch in Calvi ganz groß gefeiert“, versichert Grete Müller.
Bleibt noch die Frage zu klären, wie das Feriendorf zu seinem Namen gekommen ist. „Auf Wunsch der Gäste hatten wir Anfang der 1960er Jahre einen echten Esel angeschafft. Der schrie jedoch immer so sehr nach seiner Mama, dass wir ihn bald zurückgebracht haben“, erläutert schmunzelnd Kurt Müller. „Den Namen hatten wir damit aber gefunden.“
Die Redaktion wurde von Rhomberg-Reisen zu der Reise eingeladen.