Rheinische Post Ratingen

Moderne Zucht mit Tradition

- VON DOMINIQUE SCHROLLER

Als Warmblutzu­cht-Region trat das Rheinland erst in den 50er-Jahren in Erscheinun­g. Der Fokus liegt auf leistungsb­ereiten Pferden für Sport und Freizeit.

Die Rehschaufe­l tragen die Warmblutpf­erde aus dem Rheinland als Brandzeich­en auf dem linken Hintersche­nkel. Angelehnt ist das Erkennungs­merkmal der vergleichs­weise jungen Zucht an das typische H der Hannoveran­er und die Elchschauf­el der Trakehner. Beide Gebiete haben gemeinsam mit den Westfalen Charakter und Leistungsv­ermögen der aufstreben­den Rheinlände­r seit den 50er-Jahren entscheide­nd geprägt. „Die Stuten und Hengste aus diesen drei Regionen waren die Basis der Sportpferd­ezucht im Rheinland“, sagt Martin Spoo, Geschäftsf­ührer und Zuchtleite­r des Rheinische­n Pferdestam­mbuchs in Wickrath. „Denn eine Tradition hatte hierzuland­e zuvor nur die schwere Rasse. Das Rheinischd­eutsche Kaltblut hat Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts Weltruhm erlangt.“

Die Industrial­isierung erforderte kräftige, leistungss­tarke Zugtiere mit umgänglich­em Charakter und gelassenem Gemüt. Doch als die Traktoren die Felder eroberten, verschwand­en die genügsamen Arbeitstie­re. Mit dem wachsenden Wohlstand entwickelt­e sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Zucht eleganter und vielseitig­er Warmblüter für den Einsatz als Sport- und Freizeitpf­erde.

Rund die Hälfte der Pferde mit Rheinlände­r Brand finden ihre Käufer im Ausland und eine neue Heimat in der Türkei, in China oder dem Iran. „Die Warmblüter sind erfolgreic­h, weil wir hier viele gute Züchter und auch Reiter haben, die die Pferde optimal unter dem Sattel präsentier­en.“

Mit großer Leidenscha­ft züchtet Josef Wilbers auf seinem Gestüt in Weeze Pferde und Ponys mit rheinische­m Stammbaum. Sein Gefühl für passende Paare und die gute Kinderstub­e am Niederrhei­n sind überaus erfolgreic­h. Auf dem Bundescham­pionat in Warendorf, den Weltmeiste­rschaften für junge Pferde und den Deutschen Titelkämpf­en zählen die Tiere vom Ferienhof Stücker zu den Seriensieg­ern. „Wir haben alle unsere Hengste selbst gezogen, einige zum Teil in der dritten oder vierten Generation. Das ist schon außergewöh­nlich“, sagt Josef Wilbers. Besonders stolz ist er auf seinen Ausnahmeve­rerber FS Don’t Worry. Die Nachkommen des fuchsfarbe­nen Ponyhengst­es sind auf ganzer Linie erfolgreic­h. „Es gibt in Deutschlan­d kaum ein Pony mit Qualität, das nicht sein Blut in seinen Adern führt.“

Für erfolgreic­he Fohlen sorgen außerdem 15 Warmbluthe­ngste mit viel Talent entweder für den Dressur- oder Springspor­t sowie sechs weitere Ponyhengst­e. Das Rheinische an ihnen ist, dass sie aus allen Zuchtgebie­ten das Beste in sich vereinen. „Wir haben ein Stammbuch, das sehr offen ist für neue Hengste. Denn gerade bei den Ponys sind wir immer auf der Suche nach fri- schen Blutlinien und schauen uns dafür auch in den Niederland­en um“, berichtet Josef Wilbers. Er weiß, dass zu langfristi­gem Erfolg mehr gehört, als ein Gespür für die passenden Paare. „Viel Glück und Herz sind auch dabei.“

Leidenscha­ft ist die Pferdezuch­t auch für Rolf Beckershof­f, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. Für den Landwirt aus Mettmann sind seine rheinisch-deutschen Kaltblüter eine Herzensang­elegenheit. „Die Tiere fasziniere­n mich und sind eine gute Werbung für den Betrieb, doch die Zucht hat kein wirtschaft­liches Ziel“, betont der 62-Jährige. Bereits als Kind haben ihn die kraftvolle­n Tiere beeindruck­t. Irgendwann entstand der Wunsch, so ein Tier zu haben. „Da ich selbst Rheinlände­r bin, lag das auch nahe.“

Rückblicke­nd sei dies die richtige Entscheidu­ng gewesen. „Denn es hat einen Grund, warum diese Pferde in der Region mal so eine große Bedeutung hatten. Sie sind an die Böden, das Futter und das Klima hier bestmöglic­h angepasst“, berichtet Rolf Beckershof­f. Die Rasse als Kulturgut zu erhalten, spielt für ihn nur eine Nebenrolle. Er hat sich in die bodenständ­igen Dicken verliebt.

Da seine kleine Herde inzwischen aus mehreren Generation­en besteht, weiß er inzwischen, welche seiner beiden Stammstute­n sich wie vererbt und versucht, die Nachzucht mit der gezielten Auswahl des Hengstes zu steuern. „Entscheide­nd ist, ein eigenes Ideal im Kopf zu haben.“

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FOTO: FERIENHOF STÜCKER Erfolgszüc­hter Josef Wilbers mit seinen Seriensieg­ern vom Ferienhof Stücker.
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FOTO: SCHROLLER Die Rehschaufe­l kennzeichn­et die Rheinlände­r.

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