„Es taucht immer dann auf, wenn die Gesellschaft besonders unruhig ist“
DÜSSELDORF In New York sehen alle derzeit nur noch Regenbogenfarben: Aus bunten Streuseln, Schlagsahne, Milch und Vanilleeis mixt das Café „New Territories“in der Lower East Side von Manhattan den neuen Kult-Milchshake „Unicorn Parade“. Für den Einhorn-Look sorgen zudem eine lilafarbene, als Ube bekannte Paste aus pürierten Süßkartoffeln, eine regenbogenfarbene Marshmallow-Stange und KeksStäbchen, an deren Ende ebenfalls Marshmallows stecken. Umgerechnet rund elf Euro kostet die quietschbunte Kalorienbombe. Hinderlich ist das für den Erfolg nicht. Denn alles, wo ein Einhorn drauf ist, findet reißenden Absatz.
Der Shake, so sagt es der Café-Inhaber, ist zurzeit das meistgeorderte Getränk. Zuvor machte ein Café im Stadtteil Brooklyn Schlagzeilen mit einem Einhorn-Latte aus CashewNüssen, Vanille, Ingwer, Zitronensaft, Datteln und etwas Algenpulver. Ein Becher des blau-bunten Getränks kostet im „The End“etwa 8,50 Euro. Die US-Medien feiern den Drink, der „heilend“sein soll, als „genauso schön wie magisch“.
Woher kommt der Hype um das Fabelwesen? Im Internet ist das Einhorn schon seit Jahren ein Phänomen. Immer wieder taucht das weiße Pferd mit dem Horn an der Stirn auf. Meist als comic-hafte Darstel- lung mit rosa Mähne. Mitverantwortlich dafür – zumindest bei Mädchen – sind TV-Serien wie „Mia and Me“(Kika), in der die Elfe Mia mit Einhörnern Abenteuer erlebt, und Spielzeugserien wie die FillyFiguren, von denen einige auch ein Horn haben. Der Hersteller bietet auch das komplette Partyset für den Einhorn-Kindergeburtstag an – 119Teile, pinker Overkill inklusive.
Einhörner zieren Socken, T-Shirts oder Trinkbecher. Deko-Portale sammeln ihre Produkte unter Schlagwörtern wie „Einhorn-Manie“, Süßes wird häufig in Regenbogenfarben gebacken und mit bunten Streuseln überschüttet. Frauen trösten sich mit Liebeskummer-Pillen, die „EinhornPupse“heißen und zum Glück nur lila Marshmallows sind. Und es gibt Unicorn-Makeup, mit dem sich mit nur einem Strich ein Regenbogen auf die Lider zaubern lässt. In Supermärkten wird die Ankunft des Einhorn-„Happy End Likör“in den Geschmacksrichtungen ErdbeerSahne und Kokos-Sahne gefeiert. Nutzer, in der Regel Frauen, fragen emsig, wo sie ihn bekommen können. , Die Likörfreunde reichen gerne Adressen von Filialen weiter, damit möglichst viele in den Genuss des „erstklassigen Schmankerls am Ende des Regenbogens“(Werbung) kommen. Im vergangenen Jahr benötigte Ritter Sport nicht mal einen Tag, und schon waren 150.000 Schokoladen-Tafeln einer Einhorn-Editi- Trendforscher Peter Wippermann on verkauft. „Quadratisch, magisch, gut“, hieß der Slogan.
Doch was macht das Fabeltier so faszinierend? „Das Einhorn ist schon ein ganz altes mythologisches Symbol, das nie aus dem Bewusstsein vollständig verschwunden ist“, sagt Trendforscher Peter Wippermann. „Es steht für eine freundliche und optimistische Weltvorstellung, mit der sich die Realität wunderbar kompensieren lässt.“Laut Wippermann kommt und geht das Einhorn deshalb in Wellen. „Es taucht immer auf, wenn die Gesellschaft besonders unruhig ist.“
Werbeexperten schätzen das Phänomen ähnlich ein. „Einhörner stehen für alles, was selten ist. Sie sind grundsympathisch und leben im guten Feenwald“, sagt Lars Cords, Partner bei der Werbeagentur Scholz & Friends. Ein Image, das sich gut für ein Produkt nutzen lässt. Vor allem in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft ohnehin nach heilen Fantasien und Fabelwelten sehnt, meint Cord. „Wenn es noch in einer limitierten Edition herauskommt, schließt sich der Kreis.“Das Produkt selbst wird dann zum schwer auffindbaren Einhorn – und wird entsprechend begehrt.
Schwer zu finden ist zurzeit auch das „Pummeleinhorn“, zumindest als Kissen und Plüschtier. Diese Produkte sind ausverkauft, Ende März wird es wieder das Stofftier, im Mai das Kissen samt Motiv geben. Stephanie Engel, Grafik-Designerin aus Mettmann, hat es vor etwas mehr als einem Jahr erfunden und vertreibt es seitdem mit ihrem Startup-Unternehmen in Goch. Das