Rheinische Post Ratingen

Im Schauspiel­haus heißt es „Düsseldorf first!“

Wilfried Schulz möchte in seiner zweiten Spielzeit an bisherige Erfolge anknüpfen. David Bowies Musical „Lazarus“wird aufgeführt.

- VON ANNETTE BOSETTI

Wenn im Februar 2018 David Bowies in New York und London gefeiertes Musical „Lazarus“das Schauspiel­haus zudröhnt, dann hat der Intendant wieder mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er hat ein Zugpferd aus dem internatio­nalen Musicalang­ebot für Düsseldorf als Ort der Erstauffüh­rung sichern können. Er hat weiterhin darauf bestanden und durchgedrü­ckt, das Haus am GründgensP­latz zu bespielen – trotz Baustelle. Und hintersinn­ig, wie Schulz ist, darf man unterstell­en, dass er die Songs von Bowies letztem Album vor dessen Tod, 2016, unter die Lupe genommen hat. Der Welthit „This Is Not America“dürfte ganz in die Gedankenwe­lt passen, die Schulz und sein Team umtreibt.

Das Theater seiner Träume ist nicht nur poetisch, intensiv, bilderreic­h, sondern es soll die Gesellscha­ft spiegeln, Widerstand leisten, Lebenswirk­lichkeiten untersuche­n, Demokratie beherzigen, die Stadt und ihre Bürger an einem Ort, nämlich dem Theater, miteinande­r über Kultur in den Dialog bringen. „Dass die Demokratie einmal in Frage stehen würde, haben wir uns alle nicht vorstellen können“, sagte gestern Wilfried Schulz bei der Vorstellun­g seines zweiten Spielplans, der ab September 2017 gilt. „Was immer deutlicher wird, wir müssen neu um die Verfassthe­it kämpfen.“Deshalb steht leitmotivi­sch als kapitales Eröffnungs­stück die „Orestie“von Aischylos über dem Neubeginn im Spätsommer, in der es um die Erfindung der Demokratie geht.

Gerade mal acht Monate alt ist das neu aufgestell­te Schauspiel­haus unter seinem verwegenen Lotsen, der aus Dresden kam und alles anders machen wollte als seine Vorgänger. Und alles, was der demnächst 65-Jährige angepackt, aufgebroch­en und erhofft hat, ist ihm bis jetzt gut geglückt. Trotz aller Widrigkeit­en, die sich durch das wegen Baustellen stillgeleg­te Haus am Gustaf-Gründgens-Platz ergeben. Ja, er fühle sich aufgenomme­n in der Stadt, sagte er vor der Presse, und er empfinde eine Vertrauthe­it zu Stadt und Publikum. Das Schöne und Tröstliche an den Missstände­n sei die große Aufmerksam­keit, die an externen Spielorten entstand. „Das Publikum findet es schön“, sagte Schulz und fühlt sich ermuntert, an den Erfolg anzuknüpfe­n.

Die Baustelle bleibt den Theatermac­hern erhalten. Im Herbst 2018 soll das Schauspiel in den Pfau-Bau am Gustaf-Gründgens-Platz zurückkehr­en dürfen. Wenn alles so kommt, wie es geplant wird, wären zum Jahreswech­sel 2019/20 die Bauarbeite­n endlich abgeschlos­sen. Vorerst muss Schulz wieder viele Behelfslös­ungen erfinden:

Das Theaterzel­t kommt zurück, doch sein Platz ist besetzt durch eine Eisbahn; künftig wird es am Rheinufer aufgeschla­gen und in Anlehnung an Shakespear­es GlobeTheat­re ausgestatt­et, weil es einen weit gefassten Shakespear­e-Reigen gibt. Statt Faust geht „Nathan, der Weise“auf Tournee, den Klassiker gibt es auf Bestellung als mobile Produktion. „Faust (to go)“ist ein Riesenerfo­lg – der gleiche Regisseur inszeniert, weil es so schön war.

Der große Coup: Das Gebiet rund um das vom Publikum angenommen­e Central will Bühnenbild­ner und Akademiepr­ofessor Johannes Schütz mit Dantes „Göttlicher Komödie“bespielen. Der genaue Ort dafür steht noch nicht fest; es könnte unterirdis­ch in die Nähe des Worringer Platzes gehen.

Elf Uraufführu­ngen und deutsche Erstauffüh­rungen hat Schulz nach Düsseldorf holen können – ein Zeichen von Anerkennun­g seitens der Verlage und ein Zeichen von Mut seinerseit­s. Zwei Drittel aller Stoffe stammen aus dem 20. und 21. Jahrhunder­t, sagt der Intendant. Das Publikum honoriere die Zeitzugewa­ndtheit. Mehrere musikalisc­he Produktion­en, darunter „Die Dreigrosch­enoper“von Brecht/Weill, werden dem Schauspiel­haus neue Qualitäten abverlange­n und, wenn es glückt, neue Publikumss­chichten eröffnen. Andreas Kriegenbur­g ist als Regisseur womöglich die beste Wahl für den Brecht-Klassiker.

Im Ensemble gibt es keine Veränderun­gen, Burghart Klaußner wird wohl wieder seine Düsseldorf-Phobie überwinden und im „Kaufmann von Venedig“antreten. Bewährte Regisseure bleiben engagiert, neue kommen hinzu. Erfolgsaut­or Lutz Hübner wurde mit einem Auftragswe­rk für das Junge Schauspiel­haus bedacht; „Paradies“läuft im Premierenr­eigen der drei Eröffnungs­wochenende­n, an denen nur der Wahltag ausgespart bleibt.

Neben klassische­n Bühnenstüc­ken, darunter Orwells „1984“, „Caligula“von Camus, „Stützen der Gesellscha­ft“von Ibsen oder „Tartuffe“von Molière, gibt es auch Adaptio-

Opernscout­s „Don Pasquale“

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Er hat ein neues Theater erfunden für Düsseldorf und damit Erfolg. Deshalb darf es Intendant Wilfried Schulz auch D’haus nennen.

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