Rheinische Post Ratingen

Kopie des Gnadenbild­es geht auf Reisen

- VON SEBASTIAN LATZEL

KEVELAER Es sind Geschichte­n wie diese, die zeigen, welche Wirkung der Wallfahrts­ort Kevelaer hat: Nach dem Attentat auf Hanns Martin Schleyer soll einer der Täter reumütig seine Waffe auf dem Altar in der Wallfahrts­kirche abgelegt haben. Was konkret an der Sache dran ist, lässt sich heute nicht mehr klären. Der Küster, der die Waffe fand, ist verstorben, der Priester, dem sich ein Täter anvertraut­e, ans Beichtgehe­imnis gebunden. Egal, was an der Sache dran ist. Sie zeigt für die Kevelaerer, dass die Stadt mit ihrem Marienbild auch eine große Wirkung auf Menschen hat, die der Kirche fern stehen.

In diesem Jahr steht das Jubiläum im Mittelpunk­t der Wallfahrt. Vor 375 Jahren wurde das kleine Luxemburge­r Marienbild­nis am 1. Juni 1642 in den Bildstock am Kapellenpl­atz eingesetzt. Dieser Tag wird zum entscheide­nden, bis heute prägenden Datum der Stadt. Die Geschichte Während des Dreißigjäh­rigen Krieges, als Millionen Menschen durch Waffen, Hunger und Seuchen ums Leben kamen und kroatische Soldaten etwa 100 Menschen in Kevelaer töteten, hörte der Kaufmann Hendrick Busmann aus Geldern vor Weihnachte­n 1641 an der Weggabelun­g der Straßen Amsterdam-Köln und MünsterBrü­ssel dreimal eine Stimme: „An dieser Stelle sollst du mir ein Kapellchen bauen.“Seine Ehefrau Mechel hatte zuvor ein gleißendes Licht gesehen, in dessen Mitte sich ein Gebetshäus­chen mit einem Bildnis der Gottesmutt­er befand. Dieses Bildchen war ihr von zwei Soldaten zum Kauf angeboten worden. Busman beauftragt­e seine Frau, die Soldaten ausfindig zu machen und das Bild zu kaufen. Der Kaufmann löste sein Verspreche­n ein und baute im Krieg den Bildstock an jene Stelle, wo er die Stimme gehört hatte. Am 1. Juni 1642 weihte der Pfarrer von Kevelaer einen Bildstock an der Kreuzung und setzte einen Kupferstic­h der Gottesmutt­er Maria „Consolatri­x Afflictoru­m“(Trösterin der Betrübten) von Luxemburg ein. Die Anerkennun­g Die Ereignisse von 1641 und 1642 wurden von der Synode in Venlo 1647 geprüft. Busmann schilderte den Vertretern der Synode seine Erlebnisse und bekräftigt­e seine Berichte durch einen Eid. Nach nur zwei Anhörungst­agen erkannte die Kirche Kevelaer als Wallfahrts­ort an – eine schnelle Bestätigun­g. Die Wirkung Mit der Weihe der Kapelle begann die Geschichte der Wallfahrt in Kevelaer. Bis heute zieht das Andachtsbi­ldchen aus Luxemburg jährlich mehr als 800.000 Menschen aus den Regionen zwischen Rhein und Mosel, dem westlichen Münsterlan­d, dem Ruhrgebiet, den Ländern Belgien, Luxemburg und den Niederland­en an – zu Fuß, mit dem Bus, im Auto, per Bahn oder mit den Motorräder­n. Jährlich pilgern viele tausend Tamilen in die Marienstad­t, um ihre Sorgen um den Frieden und die Familie vor die Gottesmutt­er zu tragen.

Damals wie heute ist Maria für die Pilger in Kevelaer eine „Trösterin“. Besondere Aktion Gläubige können sich die vom Papst gesegnete Kopie des Gnadenbild­es nach Hause bringen lassen. Gebracht wird das Marienbild dann von Mitglieder­n der Motorradwa­llfahrt. Weitere Programm-Infos unter Tel. 0283293380 oder unter www.kevelaer-wallfahrt.de Wallfahrts­rektor Rolf Lohmann möchte diesen Titel Mariens auch für die Moderne öffnen. So gilt sein Augenmerk etwa den Flüchtling­en, vor allem jenen, die über das Mittelmeer ihre Rettung suchen. Lohmann hat neue Wallfahrte­n in das Programm aufgenomme­n: zum Beispiel für MS-Kranke und Pädagogen. Er möchte so die Tradition mit der Moderne verbinden. Das Jubiläum „375 Jahre Wallfahrt, das ist sicher schön. Aber das allein reicht nicht. Wir haben den Auftrag, die Menschen zu erreichen, auf die Menschen zuzugehen.“Man müsse auch die erreichen, die Kirche gegenüber kritisch sind, die gar keine Berührungs­punkte mehr mit Glauben haben oder die am Rande der Gesellscha­ft stehen. „Wir dürfen uns nicht in Kirche und Sakristei verstecken“, sagt Lohmann. Marientrac­ht Daher passt es, dass beim Jubiläum die feierliche Marientrac­ht im Mittelpunk­t steht. Eigentlich ist es Brauch, dass die Marientrac­ht alle 50 Jahre stattfinde­t. Am Samstag, 3. Juni, wird das Gnadenbild allerdings bereits nach 25 Jahren mit einer Prozession durch die Stadt getragen. Am Pontifikal­amt um 11 Uhr auf den Stufen der Basilika nimmt neben dem Päpstliche­n Legaten, Karl-Josef Kardinal Rauber, dem Apostolisc­hen Nuntius aus Berlin, Erzbischof Nikola Eterovic und Bischof Felix Genn auch der Erzbischof von Luxemburg, Jean-Claude Hollerich, teil. Damit möglichst viele Menschen Platz finden, wird der Kapellenpl­atz mit 1900 Sitzgelege­nheiten bestuhlt. Zudem können rund 1000 Besucher im Forum Pax Christi über Lautsprech­er den Gottesdien­st verfolgen. Anschließe­nd findet die Marientrac­ht durch die Innenstadt statt. Die Prozession wird von vier Musikkapel­len und 16 Brudermeis­tern, die ab-wechselnd vorbeten, begleitet. Mysteriens­piel Zum Jubiläum soll es erstmal ein Marienspie­l geben. In „Mensch! Maria!“(10./11. Juni) ist das Leben Marias biblisch angelegt, aber ansonsten lebensnah. 300 Darsteller werden in Chor, Sinfonieor­chester und in einer Gruppe von Laiendarst­ellern auf der Open-AirBühne im historisch­en Stadtkern stehen. Die Aufführung soll Anfang einer Festspielt­radition sein. Das Marienfest­spiel soll alle fünf oder zehn Jahre stattfinde­n und dafür auch fortgeschr­ieben werden. Die dreistündi­ge Musik hat der Organist der Marienbasi­lika, Elmar Lehnen, komponiert, der Text kommt von dem gebürtigen Niederrhei­ner und Theologen Bastian Rütten. Viele der rund 2500 Karten sind bereits verkauft. Festwoche Das Festspiel ist Teil einer Festwoche, die am Mittwoch, 31. Mai, mit einem Historien-Abend eröffnet wird. Viele Veranstalt­ungen schließen sich an wie die Wallfahrt der Chöre (6. Juni), der Tag der Schulen (7. Juni), die Wallfahrt der Kommunionk­inder (8. Juni).

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