Vertauschte Rollen bei Haushaltsstreit im Landtag
DÜSSELDORF Der Rollentausch von Regierung und Opposition im Landtag wurde gestern erstmals bei einer Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses sichtbar. Auf der einen Seite wollten SPD und Grüne wissen, was die vielen Wahlversprechen der neuen Landesregierung eigentlich kosten. Auf der anderen Seite erklärten CDU und FDP, wegen der noch ausstehenden Prüfung der Kassenbücher des Landes seien noch keine seriösen Aussagen zur Haushaltsplanung machbar.
Die wechselseitigen Vorwürfe waren dieselben wie bei der Regierungsübernahme von SPD und Grünen vor sieben Jahren. Nur mit vertauschten Sprechzetteln: SPD und Grüne warfen CDU und FDP vor, mit teuren Polit-Projekten den Landeshaushalt zu gefährden. CDU und FDP kritisierten den politischen Gegner dafür, zu viele Baustellen hinterlassen zu haben.
Obwohl er selbst für das laufende Jahr eine Neuverschuldung von 1,6 Milliarden Euro eingeplant hatte, rechnet der scheidende Finanzminister Norbert-Walter Borjans (SPD) nach der jüngsten Steuerschätzung nunmehr mit einem Milliardenplus im Haushalt 2017. Der finanzpolitische Sprecher der SPD, Stefan Zimkeit, erinnerte CDU und FDP an deren eigene Forderungen aus Zeiten der Opposition: „Steuermehreinnahmen gehören in die Schuldentilgung. Neue Projekte müssen durch Einsparungen finanziert werden.“Sein FDP-Amtskollege Ralf Witzel hielt der Noch-Landesregierung Tricksereien beim Haushalt vor. Der Darstellung, RotGrün habe den Pensionsfonds seit Jahren nicht bedient, widersprach Walter-Borjans energisch. NRW habe den Fonds besser als Bayern versorgt.
Der rot-grünen Forderung, Koalitionsversprechen wie die Einstellung von mehr Lehrern, Polizisten und anderem mit Preisschildern zu versehen, verweigerten CDU und FDP sich. „Koalitionsverhandlungen sind keine Haushaltsverhandlungen“, sagte Marcus Optendrenk (CDU). Mithilfe von Lobbyisten wie dem Bund der Steuerzahler und Gewerkschaften veröffentlichte die WAZ eine Kostenschätzung. Demnach würden die zentralen Verspre- chen von CDU und FDP den Haushalt mit über drei Milliarden Euro belasten. Tobias Hentze von Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) ist skeptisch: „Der Koalitionsvertrag ist überhaupt nicht konkret genug für eine Kostenschätzung.“Nur eine Tendenz sei erkennbar: „Viele neue Versprechen bei gleichzeitigem Verzicht auf Einnahmen etwa bei der Grunderwerbssteuer. Da wird es schwer, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren.“Das RWI Essen hat sich nach eigenen Angaben noch nicht mit dem Koalitionsvertrag beschäftigt.