Die seltsame Bescheidenheit der Bundesligisten
Früher war doch alles besser. Da fuhr, nur zum Beispiel, die Fußball-Spitzenmannschaft Bayern München zur FußballDurchschittsmannschaft VfL Bochum und war anschließend froh, mit einem Unentschieden den Heimweg antreten zu dürfen. Die Fußball-Durchschnittsmannschaft VfL Bochum ärgerte sich am Abend noch ein bisschen über den vergebenen Heimpunkt (damals gab es nur zwei Zähler für den Sieg), aber die Fans gingen einigermaßen zufrieden nach Hause. Ausgiebige Feiern vor der Kurve mit Humba und Pogo waren allerdings ausgeschlossen.
Heute fährt die Bundesliga-Spitzenmannschaft Bayern München zur Bundesliga-Möchtegern-fast
Warum finden sich Heimteams so leicht mit Niederlagen gegen die Spitzenmannschaften ab? Eine Antwort: Weil es ihnen an Selbstkritik mangelt.
Spitzenmannschaft Schalke 04, gewinnt 3:0 und findet das ganz normal. Spieler und Funktionäre der Bundesliga-Möchtegern-fast-Spitzenmannschaft Schalke 04 schlagen sich gegenseitig krachend auf die Schultern, weil die Fußballer phasenweise sogar eigene Angriffe gewagt und insgesamt tüchtig gekämpft haben. Es erklärt sich von selbst, dass die Fußball-Durchschnittsmannschaft Hamburger SV mindestens ebenso begeistert von der eigenen Leistung beim 0:3 gegen die Fußball-Spitzenmannschaft Borussia Dortmund ist.
Diese Begeisterungsfähigkeit hat mehrere Folgen. Erstens: Es ist nicht mehr weit her mit der Konkurrenzfähigkeit der Bundesligisten untereinander. Der Trend zur (mindestens) Zweiklassen-Gesellschaft ist längst eine Tatsache, die achselzuckend zur Kenntnis genommen wird. Zweitens: Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit findet nicht nur in der hoch entwickelten Unterwerfungsmentalität der Teams aus der zweiten oder dritten Reihe ihren Ausdruck, sondern auch in den internationalen Wettbewerben, die zunehmend weniger von eindrucksvollen Vorstellungen der deutschen Teilnehmer bestimmt werden. Vorläufige Ausnahme: die Champions League, aber da spielen eben auch die Fußball-Spitzenmannschaften Bayern und Dortmund. Drittens: Die wirklich guten Fußballer werden immer stärker bei den Spitzenteams konzentriert. Und wenn sie sich dort unterbezahlt vorkommen, gehen sie ins Ausland. Das wird die Leistungsunterschiede in der Bundesliga weiter verfestigen. Und es wird die Konkurrenzfähigkeit der ersten deutschen Liga in den internationalen Wettbewerben weiter schwächen.
Auch dazu können die Achseln in schlichter Resignation vor der viel beschworenen Kraft des Faktischen gezuckt werden. Vielleicht kommt aber eines Tages doch noch jemand auf die Idee, gegen bestehende Verhältnisse anzukämpfen. Mit einem etwas ausgeprägteren Hang zur Selbstkritik beispielsweise. Dann könnte es sein, dass es morgen mindestens so gut wird wie früher. So viel Hoffnung darf sein. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de