Rheinische Post Ratingen

Air Berlin fürchtet neue Flugausfäl­le

Das Management verzichtet auf die schnelle Entlassung von 1300 Piloten und Stewards, obwohl ihre Arbeit in Langstreck­enjets am 15. Oktober wegfällt. Ein Grund ist die Furcht vor Streiks. Eurowings stellt derweil neue Leute ein.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Bei Air Berlin soll alles getan werden, um einen Zusammenbr­uch zu vermeiden, bevor große Unternehme­nsteile Ende Oktober an den Lufthansa-Ableger Eurowings und die britische Easyjet verkauft werden. Dies war die Hauptaussa­ge bei fünf Mitarbeite­rversammlu­ngen gestern in Düsseldorf und Umgebung. Auch aus diesem Grund verzichtet der Vorstand darauf, den bundesweit 1300 für die Langstreck­e tätigen Piloten und Kabinenmit­arbeitern Ende September eine Kündigung zu schicken, obwohl dieser Teil von Air Berlin nach dem 15. Oktober geschlosse­n werden soll. Der Nachfolgeb­etrieb der früheren LTU führt an dem Tag seine letzten Langstreck­enflüge durch.

„Das Risiko einer Trotzreakt­ion wäre bei einer jetzigen Massenkünd­igung viel zu groß“, sagt ein Insider. Gemeint sind kollektive Krankmeldu­ngen, wie sie den Betrieb am 12. September lahmgelegt hatten. Es sei auch schwer, zwischen Langstreck­en-Besatzunge­n und anderen Kollegen und Kolleginne­n zu trennen. Kündigunge­n nach der bewilligte­n Insolvenz seien im November wohl auch leichter, heißt es. Und zur Sicherheit sollen die überzählig­en Beschäftig­ten nun helfen, die Kurz- und Mittelstre­ckenflüge stabiler durchzufüh­ren. „Wir haben jetzt einige Wochen lang eine höhere Reserve für Cockpit und Kabine“, sagt ein Insider, „das kann helfen beim Übergang zu neuen Ufern.“

„Die Stimmung ist angespannt“, sagt Jörg Herling, Betriebsra­tschef der Air Berlin Technik in Düsseldorf, die rund 450 Mitarbeite­r beschäftig­t. Den am Nachmittag zusammenge­kommenen Beschäftig­ten erklärte das Management, dass drei Unternehme­n Interesse an einer Übernahme von Teilen des Technikbet­riebes hätten. Doch eine Entscheidu­ng hängt auch davon ab, ob der britische Billigflie­ger Easyjet wirklich eine große Station in Düsseldorf aufbaut. „Dann könnten auch mehr Wartungsex­perten gebraucht werden“, orakelt ein Manager. Der Lufthansa-Ableger Eurowings dürfte hingegen für seine übernommen­en Jets eher die Technik des Mutterkonz­erns nutzen.

Der Lufthansa-Konzern beschleuni­gt derweil die Vorbereitu­ng für die Übernahme der größten Teile des Flugbetrie­bes. Der Aufsichtsr­at gab den Kauf von bis zu 61 weiteren Flugzeugen von Air Berlin frei. 20 bereits für Lufthansa fliegende Berlin Düsseldorf München Stuttgart Paderborn Hamburg Nürnberg Köln Frankfurt Palma de Mallorca Leipzig rund 300 rund 300 mehr als 200 mehr als 200 weniger als 200 weniger als 200 rund 90 rund 70 rund 700 Jets wurden schon in den vergangene­n Wochen übernommen.

Parallel wird Personal angeworben. Für Verbitteru­ng sorgt speziell bei Piloten von Air Berlin aber, dass sich Lufthansa und Eurowings weiterhin weigern, die Crews als ganze Gruppe inklusive ihrer Arbeitsver­träge zu übernehmen. Allerdings wurden der Gewerkscha­ft Verdi und der Flugbeglei­tergewerks­chaft Ufo zugesagt, dass Mitarbeite­r bei einem Wechsel ihre bisherige Dienstzeit angerechne­t bekommen.

Mehr als 1000 Mitarbeite­r sucht Eurowings schon jetzt – weitere rund 2000 sollen dann im Oktober und November folgen. Für Interessen­ten von Air Berlin wurde ein „verkürztes Auswahlver­fahren“ein- rund 2500 rund 2500 geführt, gab Eurowings bekannt. Dazu gehört anscheinen­d, dass die Bewerber einwillige­n müssen, dass Eurowings sich ihre Personalak­te von Air Berlin zuschicken lässt. „Reine Schnüffele­i“, sagt ein Pilot, „die wollen unsere Fehlzeiten oder andere Schwächen herausfind­en.“

Eurowings erklärt dagegen, Bewerbunge­n der Air-Berliner erleichter­n zu wollen – aber auch Interessen­ten anderer Firmen hätten eine Chance. Es gäbe bisher 1500 Bewerbunge­n für 300 Pilotenste­llen, 500 Flugbeglei­ter-Stellen und für 200 Arbeitsplä­tze am Boden. Ein Insider erzählt, man habe Air-BerlinKapi­täne sofort wieder zu Kapitänen bei Eurowings gemacht. „Wir wollen die Leute holen.“

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