Gemäßigtere Töne im Streit um Katalonien
Die Zentralregierung will den Separatisten erlauben, an Neuwahlen teilzunehmen. Absage an Gewalt.
MADRID/BARCELONA (rtr) Nach der Unterstellung Kataloniens unter die Zwangsverwaltung der spanischen Regierung haben sich beide Seiten am Wochenende bemüht, den Unabhängigkeitsstreit nicht weiter anzuheizen. Ein Regierungssprecher sagte, es sei das Recht des entmachteten Regierungschefs Carles Puigdemont, weiter in der Politik aktiv zu bleiben. Puigdemont selbst forderte die Separatisten zwar zum Widerstand gegen die Zwangsverwaltung auf. Dieser müsse jedoch friedlich und demokratisch sein, sagte er. In Barcelona und Madrid demonstrierten am Wochenende Hunderttausende Spanier friedlich für die Einheit des Landes.
Nach der Verkündung der Unabhängigkeit Kataloniens durch das Regionalparlament am Freitag hatte die Zentralregierung umgehend die dortige Regierung abgesetzt und für den 21. Dezember Neuwahlen angesetzt. Sollte der entmachtete Ministerpräsident sich weigern, sein Amt zu verlassen, werde die Regierung mit „Klugheit und gesundem Menschenverstand“reagieren. Auf die Frage nach strafrechtlichen Konsequenzen für Puigdemont sagte der spanische Regierungssprecher: „Niemand steht über dem Gesetz.“Das sei Sache der unabhängigen Justiz.
In einer Fernsehansprache sagte Puigdemont: „Es ist klar, dass de- mokratische Opposition die beste Art ist, die bis jetzt erreichten Erfolge zu verteidigen.“Er blieb vage, wie der Widerstand konkret aussehen soll. „Wir werden nicht einknicken“, sagte er. „Wir werden an der einzig möglichen Einstellung festhalten, die uns zu Gewinnern machen wird: ohne Gewalt, ohne Beleidigungen.“
Die größte Separatisten-Gruppe in Katalonien (ANC) hatte am Freitag die Mitarbeiter der Verwaltung in der Region aufgerufen, Anordnungen aus Madrid nicht zu befolgen. Die Bediensteten sollten mit „friedlichem Widerstand“reagie- Carles Puigdemont Abgesetzter Ministerpräsident Kataloniens ren. Die Gewerkschaft CSC hat für heute zu einem Streik aufgerufen, der bis zum 9. November dauern soll. Die Regionalregierung hatte daraufhin erklärt, sie werde einen Notdienst aufrechterhalten.
Die spanischen Behörden begannen derweil mit der Umsetzung der Zwangsverwaltung. Das Innenministerium erklärte, die Zentralen der Parteien, der Häfen und Flughäfen, der Gerichte und der Nationalbank würden gesichert. Die Regionalpolizei forderte ihre Beamten auf, sich neutral zu verhalten. Einer Umfrage für die Zeitung „El Mundo“zufolge könnten die Separatisten bei der Wahl ihre Mehrheit im Parlament in Barcelona knapp verlieren. Leitartikel Seite A2 Politik Seite A5
„Demokratische Opposition ist die beste Art, die bis jetzt erreichten Erfolge zu verteidigen“