Ab dem 1. Januar 2018 sollen Reiter in Nordrhein-Westfalen alle geeigneten Waldwege nutzen dürfen. Bisher waren nur extra gekennzeichnete Strecken erlaubt. Im dicht besiedelten Rheinland wird sich für viele Reiter aber nichts ändern.
Eine Leverkusenerin erreicht den Grafenberger Wald mit ihrem Pferd nur, wenn sie es im Hänger dorthin fährt: „Von dem Stall, wo mein Pferd steht, muss ich eineinhalb Kilometer bis zum Reitweg fahren, der 500 Meter lang ist“, sagt Ruth Meissner. Dieses Problem haben viele Reiter: Überall im Land fehlen Verbindungen im Reitwegenetz und in vielen Wäldern müssen die Reiter draußen bleiben oder dürfen sich nur sehr eingeschränkt bewegen. Denn bisher gilt: Geritten werden darf nur auf gekennzeichneten Wegen.
Ab dem 1. Januar 2018 sollen in Nordrhein-Westfalen alle dafür geeigneten Wege im Wald für Reiter freigegeben werden, nicht nur die gekennzeichneten Reitwege. Geeignete Wege sind laut Definition solche, die befestigt und breit genug sind, damit sich die unterschiedlichen Nutzer nicht in die Quere kommen. Das gilt im wesentlichen für Wirtschaftswege. So steht es im neuen Landesnaturschutzgesetz NRW, das bereits im Frühjahr 2016 beschlossen wurde und zum 1. Januar mit Verzögerung in Kraft tritt. Anlass für die Gesetzesänderung war die Unzufriedenheit der Reiterverbände mit der seit 1981 geltenden Regelung. Diese wurde als zu streng kritisiert.
„Wir haben jahrelang um die Liberalisierung der Reitwegeverordnung gekämpft“, sagt der geschäftsführende Vorstand des Pferdesportverbands Rheinland (PSVR), Rolf-Peter Fuß. Er hält die neue Verordnung für einen Fortschritt: „Wir haben das Prinzip umgekehrt. Früher war alles erst einmal verboten, jetzt ist das Reiten im Wald erst einmal grundsätzlich erlaubt. Es sei denn, es wird aus nachvollziehbaren Gründen verboten.“Genau hier liegt das Problem: Fachreferent in Sachen Reitwegeverordnung bei PSVR ist Hermann Bühler. Er hat an allen Verhandlungen rund um die Neuregelung teilgenommen, zusammen mit Referenten des Pferdesportverbands Westfalen und Mitgliedern der Vereinigung der Freizeitreiter. „Der PSVR hat sich auch an der Finanzierung eines Gutachtens beteiligt, das unter anderem zu dem Ergebnis kommt, dass 15 andere Bundesländer liberaler sind als Nordrhein-Westfalen. Dort ist das Reiten im Wald nicht verboten, und trotzdem kommen Radler, Fußgänger und Reiter gut miteinander zurecht“, sagt Bühler. Für ihn ist die neue Regelung ein Kompromiss: „In Westfalen und im Sauerland wird das Ausreiten für viele Reiter angenehmer werden, weil befestigte Waldwege erst einmal freigegeben sind. Im dicht besiedelten Rheinland dagegen wird überall verhandelt.“
Mit sogenannten Allgemeinverfügungen möchten beispielsweise Düsseldorf, Solingen und Leverkusen es bei der bisherigen Regelung belassen: Gebiete, die zum Reiten nicht freigegeben waren, sollen dies auch weiterhin nicht sein. Im Landesgesetz ist bestimmt, dass Städte und Kreise in Gebieten, die stark von Fußgängern, Radfahrern oder Hundebesitzern genutzt werden, die Reitwege weiterhin beschränken können – nach Anhörung der Forstwirtschaftsbehörde, von Waldbesitzern und anderen Beteiligten, darunter auch Reiterverbänden. Es zeichnet sich im Rheinland ab, dass sich etliche Städte dem neuen Gesetz nicht beugen wollen. Dies sei aber auch nicht Sinn der Sa- che, sagt Peter Schütz, stellvertretender Sprecher des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW: „Ziel der Gesetzesänderung ist es, dass Städte flexibel über die Freigabe entscheiden können und dadurch zum Beispiel die Wege besser vernetzen.“– Beispiel Hilden: Die Stadt überlegt, ganz viele Reitverbotsschilder im Stadtwald aufzustellen. Förster Dennis Anders begründet das so: „Die Wege im Stadtwald sind ohnehin mit Wanderern, Radlern, Joggern und Hundehaltern so voll, dass Reiter für zusätzliche Probleme sorgen würden. Der Wald ist längst an der Belastungsgrenze.“Aus Sicht der Forstbetriebe ist die Freigabe weiterer Wege für Reiter unbedenklich – es käme aber auf den Einzelfall an, schränkt Hermann Fröhlingsdorf, Fachgebietsleiter der Hoheit des Landesbetriebs Wald und Holz NRW, ein. „Reiten ist etwas Tolles, doch es stört Fußgänger“, sagt Philipp Heeremann, Vorsitzender des Waldbauernverbands NRW. „Wäre es erlaubt, mit Pferden alle Wanderwege zu nutzen, würden diese kaputtgemacht.“