Man muss in die Zukunft schauen – denn die Neubauten werden Jahrzehnte Bestand haben
einzelne Stadt fällt, sondern das gesamte Umfeld und die Randgebiete auch als attraktiven Wohn- und Wirtschaftsstandort gesehen wird. Würde etwas Vergleichbaren auch für Düsseldorf funktionieren? „Ja, ich denke schon. Düsseldorf könnte so die Vorstädte und das Umland von Düsseldorf enger an sich binden und mit einbeziehen“, sagte Bloch. Eine mögliche Folge wäre, dass die Nachbarorte gestärkt und aufgewertet würden und sich die angespannte Angebotssituation auf dem Düsseldorfer Immobilienmarkt etwas entlastet. Die Menschen würden dann auch vielleicht die Orte und Städte im Umland von Düsseldorf genauso attraktiv finden und sich auch dort als „Düsseldorfer“fühlen. Zwingend erforderlich dafür ist natürlich der Ausbau der Infrastruktur in diesen Städten.
Erste Schritte in diese Richtung gäbe es schon, sagte Cornelia Zuschke. Die Initiative „StadtUmland.NRW“verfolgt das Ziel, die Großstädte des Landes Nordrhein-Westfalen und ihre Nachbarkommunen zu mehr interkommunaler und integrierter Raum- und Mobilitätsentwicklung anzuregen. Das Verfahren startete im Juni 2016 und wurde fast genau ein Jahr später im Juni 2017 mit einem konkreten ersten Wettbewerbsteil zur weiteren Bearbeitung empfohlen. An Phase 2 des Wettbewerbs hatten sich insgesamt acht Stadtumlandverbünde mit ihren Konzepten beteiligt. Ein Erfolg, betont Zuschke. Sie räumte ein, dass manche Region und auch mancher in der Stadt Angst vor Veränderungen habe. „Der Düsseldorfer Norden zum Beispiel möchte ländlich bleiben, aber gleichzeitig eine bessere Infrastruktur haben.“Ein nachvollziehbarer Wunsch, der aber auch Gestaltungsideen braucht, um den Wandel positiv anzunehmen, so Zuschke. „Wenn Infrastruktur nicht funktioniert, kann eine Stadt ganz schnell an Wert verlieren.“
Wie muss denn eine perfekte Infrastruktur aussehen, fragte Mehl. Mehr Parkraum? Mehr Bahnen? Mehr Radwege? Von seinem Blick über den Düsseldorfer Tellerrand berichtete Richard Alexander Schmitz. „In Berlin geht der Trend hin zu weniger Stellplätzen statt zu immer mehr“, sagt er. Cornelia Zuschke bemerkte mit Blick auf Infrastruktur-Merkmale wie das Stellplatzangebot, dass die Nachfrage nach wohnungsnahen Parkplätzen hoch sei. Aber auch hier müsse ein Umdenken stattfinden, denn beispielsweise bei Neubauprojekten nah am Hauptbahnhof mache diese Investition keinen großen Sinn. „Aber Stellplatzlösungen müssen grundsätzlich da sein und auch variabel gehandhabt werden.“Klaus Franken betonte, Catella beziehe Carsharing-Stationen in ihre Planungen mit ein. „Wir möchten erreichen, dass Familien in unseren Objekten zumindest auf ein zweites Auto verzichten können – das schont die Haushaltskasse und hält die Menschen in der Stadt.“Man müsse in die Zukunft schauen, denn die Neubauten werden Jahrzehnte Bestand haben. Deshalb sollte man zum Beispiel die Entwick- lung der selbstfahrenden Autos nicht verschlafen.“
„Sind denn mehr Subventionen nötig, um günstigen Wohnraum zu schaffen?“, fragte Mehl. „Öffentlich geförderte Wohnprojekte haben leider oft ein zu negatives Image. Und sozialer Wohnungsbau ist auch nicht das generelle ,Allheilmittel’ zur Schaffung von günstigem Wohnraum“, meinte Detlef Bloch. Diese sind an vielen Standorten auch nötig und wichtig, jedoch nicht überall, räumte er ein. „Für Catella bietet die NRW-Förderung beste Investitionsbedingungen und auch die preisgedämpften Einheiten rechnen sich auf lange Sicht – das ist für uns keine Belastung“, betonte Klaus Franken. Die Grundstückspreise seien aus Verbrauchersicht einfach zu hoch, sagte Werner Horn von Corpus Sireo. Dennoch: „Der Markt ist sehr dynamisch und hat sogar noch Luft nach oben.“Tanja Kilger bemerkte: „Die Preisspirale muss nicht immer nach oben zeigen. Es kann auch mal abwärts gehen.“Wie genau sollen denn die Preise gebremst werden, fragte Zuschke. „Mehr steuerlich Abschreibungen? Zuschüsse? Bodenpreise einfrieren? Diese Mittel gibt es schon alle und sie sind sehr gut Werkzeuge. Allerdings werden sie kaum angewendet. Wir kämpfen ja wie die Wahn- sinnigen, um das zu ändern.“Nicole Lange, die stellvertretende Leiterin der RP-Redaktion Düsseldorf, lenkte das Gespräch auf einen weiteren Aspekt. „Wie reagieren die Nachbarn, wenn ein Neubaugebiet bei ihnen geplant ist?“, fragte sie.
Jürgen Schroll von der Grafental konnte von vielen Erfahrungen berichten. „Wir haben gehört, dass vor Baubeginn die Menschen sehr skeptisch waren.“Sie hatten Angst vor hohen Häusern, die ihnen die Aussicht nehmen, vor Fremden, die von oben herab in ihre Gärten blicken, vor mehr Verkehr und weniger Ruhe. Nun allerdings, nachdem das Projekt Grafental so erfolgreich voranschreitet, seien Ängste und Zweifel verschwunden. „Die Bürger freuen sich über die zusätzliche Nahversorgung mit Bäcker, Friseur, Kiosk und Sushi-Restaurant.“
Auch Detlef Bloch sucht mit seinem Unternehmen das frühzeitige Gespräch mit Anwohnern bei einer neuen Projektplanung. „Jeder befürwortet zwar grundsätzlich die Schaffung von neuem und modernem Wohnraum, gleichzeitig ist jedoch die weitläufige Meinung dazu - aber bitte keine langjährigen Baustellen direkt vor meiner Haustür“, hat er erfahren. Etwaige Kritik oder Unsicherheit könne man nur ausräumen, wenn die Menschen so früh wie möglich transparent und detailreich über das geplante Vorhaben informiert würden. „Wir gehen gern und schnell auf die Nachbarn zu und informieren“, sagte Bloch. Jedoch: „Bei aller Mühe können wir nicht jeden Bürger zufriedenstellen.“Klaus Franken empfindet die Düsseldorfer in dieser Hinsicht als recht gemäßigt. „Wir laden die Menschen oft ein, uns von ihren Wünschen und Ängsten zu berichten. Zusammen mit der kulturellen Zwischennutzung wurde erreicht, dass das Grand Central als Chance wahrgenommen wird.“Das Grand Central entsteht neben dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. Investor Catella plant etwa 1000 Wohnungen und drei Hochhäuser. „Wir bauen für den gehobenen bis unteren Mittelstand“, sagte Franken. So gibt es im Grand Central eine Mischung aus Eigentumswohnungen, frei finanzierten, preisgedämpften und öffentlich geförderten Wohnungen. Dialog ist das beste Mittel, um Sorgen abzubauen, betonte Franken. „In Düsseldorf haben wir noch keinen ,Wutbürger’ erlebt.“Tanja Kilger stimmte zu: „Wir müssen auf die Betroffenen zugehen und offen diskutieren – selbst wenn am Ende sich nicht jeder Wunsch realisiert werden kann.“Detlef Bloch fügte hinzu: „Bei allen Mühen und Anstrengungen und auch wenn der Dialog wichtig und notwendig ist, werden wir es nicht schaffen jeden Anwohner und Bürger zufriedenstellen. Das müssen wir alle, Stadt, Politik und auch wir Entwickler akzeptieren und aushalten. Hier gilt am Ende - Allgemeinwohl geht vor ganz persönlichen Belangen.“Auch Cornelia Zuschke weiß, dass nicht jeder Einwand der Bürger später beim Bau berücksichtigt werden kann. „Man kann es nicht jedem recht machen – und entscheiden muss man eben auch.“Es gebe für große Immobilienprojekte viele unterschiedliche Interessen. Die Bürger wollen mitreden, der Investor verdienen, die Bewohner eine billige Wohnung, Verordnungen und Gesetze müssten berücksichtigt werden. Dennoch: Düsseldorf werde weiter wachsen. Dafür benötige es eine Gesprächskultur, die Wohnen und Infrastruktur zusammen mit Stadt- und Verkehrsplanung als zentrales Thema begreift – und das weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinweg. „Ohne Konzepte ist Wachstum und Veränderung nicht zu bewältigen. Und das müssen wir durch Aushandlungsprozesse bei allen Veränderungen ermöglichen.“