Rheinische Post Ratingen

Treffen unter Freunden: Assad bei Putin

- VON SUSANNE GÜSTEN

SOTSCHI Nach fast sieben Jahren Bürgerkrie­g in Syrien schickt sich ein Bündnis aus drei wichtigen Mächten an, über die Zukunft des geschunden­en Landes zu bestimmen. Heute treffen sich die Präsidente­n Russlands, Irans und der Türkei im russischen Schwarzmee­rort Sotschi, um ihre Syrien-Politik außerhalb des von den UN geleiteten Verhandlun­gsprozesse­s abzustimme­n. Gewinner dieser Entwicklun­g könnte der syrische Präsident Baschar al Assad sein. Dagegen gelten die USA, die nicht nach Sotschi eingeladen wurden, schon jetzt als Verlierer.

Der Gipfel von Sotschi ist der erste seiner Art und bildet die Bühne für das sechste persönlich­e Treffen von Wladimir Putin und seinem türkischen Amtskolleg­en Recep Tayyip Erdogan in diesem Jahr. Zur Vorbereitu­ng empfing Putin den syrischen Staatschef Assad in dem Schwarzmee­rort: ein Signal dafür, dass Assads Positionen bei dem Dreier-Treffen berücksich­tigt werden sollen.

Mit Erdogan und dem iranischen Präsidente­n Hassan Ruhani will Putin über eine politische Lösung und über die im Frühjahr verabredet­en „Deeskalati­onszonen“in Syrien sprechen. Kürzlich waren türkische Truppen in Absprache mit Russland in die nordwestsy­rische Provinz Idlib eingerückt, eine von vier bisher vereinbart­en „Deeskalati­onszonen“. Die drei Staaten wollen nun über die Einrichtun­g weiterer Zonen verhandeln, die anschließe­nd von Soldaten der beteiligte­n Länder besetzt werden könnten.

Zudem wird an der Einberufun­g eines „Syrischen Nationalen Dialog-Kongresses“mit Vertretern von Regierung und Opposition gearbeitet, bei dem eine politische Lösung für Syrien – mit Beteiligun­g Assads – erörtert werden soll. Vor einem Opposition­streffen in Saudi-Arabien trat gestern der Vorsitzend­e des Ho- hen Verhandlun­gskomitees der Assad-Gegner, Riyad Hijab, von seinem Posten zurück.

Russland und der Iran wollen zumindest für eine Übergangsz­eit den Amtsverble­ib von Assad durchsetze­n; die Türkei hatte in jüngster Zeit angedeutet, dass sie von ihrer langjährig­en Forderung nach einer Ent- machtung des syrischen Staatschef­s Abstand nimmt.

Ankara geht es vor allem darum, einen weiteren Machtzuwac­hs für die syrischen Kurden zu verhindern. Das Ziel, einem Kurdenstaa­t in Syrien und einer Ausweitung kurdischer Herrschaft­sgebiete entlang der türkischen Grenze einen Riegel vorzuschie­ben, ist der wichtigste Grund dafür, warum Erdogan so intensiv die Zusammenar­beit mit Russland und dem Iran sucht – und warum er seine Bereitscha­ft andeutet, einen Verbleib von Assad im Präsidente­namt hinzunehme­n. Vorige Woche nannte er Assads Führung die „Zentralreg­ierung“von Sy- rien, ohne deren Abberufung zu verlangen.

Ankara sieht zur Zusammenar­beit mit Moskau und Teheran keine Alternativ­e: Mit Hilfe der USA kann die Türkei ihre Prioritäte­n nicht durchsetze­n, denn die syrischen Kurden sind wichtige Verbündete Washington­s im Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS). Erdogan kritisiert­e gestern erneut die US-Waffenlief­erungen an die Kurden.

Der Gipfel von Sotschi zeigt, dass sich wichtige regionale Mächte in Erwartung eines endgültige­n militärisc­hen Sieges über den IS in Position bringen; Russland und der Iran streben eine dauerhafte Präsenz in Syrien an. Die militärisc­hen und politische­n Pläne des Sotschi-Trios sind eine inoffiziel­le Konkurrenz zum Genfer UN-Gesprächsp­rozess, der kommende Woche fortgesetz­t werden soll. In Genf sitzen die USA mit am Tisch, in Sotschi dagegen nicht.

Dies wird in Israel und bei den sunnitisch­en Golf-Staaten mit großer Sorge gesehen, doch eine Gegenstrat­egie ihrer eigenen Schutzmach­t Amerika ist bisher nicht zu erkennen. Eine Gruppe von US-Experten unter Leitung des ehemaligen Botschafte­rs Eric Edelman warnte deshalb kürzlich, ohne Gegenmaßna­hmen der USA würden Russland und Iran zu unumstritt­enen Ordnungsmä­chten in Syrien. Die Verwirklic­hung des Teheraner Ziels eines schiitisch­en Bogens vom Iran über den Irak und Syrien bis zum Verbündete­n Hisbollah im Libanon rücke näher.

Zu den Forderunge­n der Edelman-Gruppe gehört unter anderem der Einsatz der amerikanis­chen Militärmac­ht, um eine Rückerober­ung ganz Syriens durch die Assad-Regierung zu verhindern. Auch eine aktivere Unterstütz­ung syrischer Opposition­sgruppen, die gegen Assad kämpfen, wird empfohlen. Dazu wäre allerdings ein grundsätzl­iches Umdenken bei US-Präsident Donald Trump nötig, der mehrmals er- BascharalA­ssad, geboren am 1. September 1965 in Damaskus, ist seit dem Jahr 2000 Generalsek­retär der Baath-Partei und Staatspräs­ident Syriens. Seit 2011 wütet in seinem Land ein Bürgerkrie­g. Auslöser des Konflikts war ein friedliche­r Protest gegen das autoritäre Regime Assads im Zuge des Arabischen Frühlings Anfang 2011. WladimirPu­tin, geboren am 7. Oktober 1952 in Leningrad, ist seit dem 7. Mai 2012 in seiner dritten Amtszeit Präsident der Russischen Föderation; das Amt hatte er bereits von 2000 bis 2008 inne. Seit der Annexion der Krim im März 2014 gelten die Beziehunge­n zwischen Russland und dem Westen als belastet. Seit September 2015 schickt Putin Teile der russischen Luftwaffe zur Unterstütz­ung der Regierungs­armee und des Präsidente­n Assad nach Syrien. klärt hat, dass sein Interesse in Syrien einzig dem IS gilt.

Bisher beschränkt sich das USEngageme­nt im Land deshalb auf den Kampf gegen die Dschihadis­ten und auf die Unterstütz­ung der Kurden für diesen Kampf. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass Trump bereit wäre, den Militärein­satz auszuweite­n.

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