Scheidungen belasten NRW-Etat
Die Ausgaben für Unterhaltsvorschüsse an Alleinerziehende steigen 2018 auf 315 Millionen Euro, dreimal so viel wie 2016. Ihr Interessenverband fordert: das Geld eintreiben und den Kindern helfen.
DÜSSELDORF Die große Zahl an Scheidungen und Trennungen belastet zunehmend die Allgemeinheit: Das Land NRW wird nächstes Jahr 315 Millionen Euro an die Kommunen überweisen, damit diese den Unterhaltsvorschuss an säumige Väter (und manchmal auch säumige Mütter) auszahlen können. Im Jahr 2016 waren für den gleichen Budgetposten nur 102 Millionen Euro ausgegeben worden, dieses Jahr werden es 206 Millionen Euro sein. Weil zugleich die Bundeshilfen für den Unterhaltsvorschuss deutlich steigen, muss das Land 2017 selbst 45 Millionen Euro zusätzlich aus eigenen Mitteln beisteuern, nächstes Jahr werden es 56 Millionen Euro zusätzlich sein. Das teilte das NRW-Familienministerium auf Anfrage mit.
Die Zahlen spiegeln wider, dass der Staat sich zunehmend um Alleinerziehende als eine der Hauptrisikogruppen für Armut kümmert. Rund drei Viertel der getrennten Väter kommen ihrer Unterhaltspflicht nicht oder nur teilweise nach, berichtete der Verband der alleinerzie- henden Mütter und Väter (VAMV). Damit die zurückgelassenen Mütter (und manchmal Väter) besser dastehen, hat der Bund rückwirkend zum 1. Juli festgelegt, dass der Staatsvorschuss für Unterhalt auch für Kinder ab dem zwölften Lebensjahr bis zur Volljährigkeit ausgezahlt wird. Bis dahin gab es Geld nur für Kinder bis elf. Der monatliche Betrag beträgt 150 Euro bis zum fünften Lebensjahr, 201 Euro bis zum elften Lebensjahr, danach 268 Euro.
Dabei ist die Lage dramatisch. Rund 46 Prozent der Alleinerziehenden in NRW sind Bezieher von Hartz IV – fast fünfmal so viele wie unter Paaren mit Kind (9,7 Prozent), bundesweit liegen die Zahlen jeweils um ungefähr ein Fünftel niedriger. Das ergab eine Studie der BertelsmannStiftung.
Frauen machen mehr als 80 Prozent der Alleinerziehenden aus. Sie haben häufig schlechter bezahlte Stellen als ihre Ex-Partner, weil sie sich während der Ehe weniger intensiv um ihre berufliche Entwicklung gekümmert haben als der Mann. Als Mutter eines Kindes sind sie nach der Trennung weit überdurchschnittlich oft auf Teilzeit an- gewiesen. „Trennung ist sehr häufig die Hauptursache für Armut“, sagte der Armutsforscher Christoph Butterwegge. „Weil Mütter sehr of auf prekäre Arbeitsverhältnisse angewiesen sind, haben deren Kinder ein entsprechend hohes Armutsrisiko.“
42 Prozent der Alleinerziehenden gelten laut Bertelsmann-Studie als armutsgefährdet, weil ihr Einkommen unter 60 Prozent des Bevölkerungsschnitts liegt – in der gesam- ten Bevölkerung liegt diese Quote nicht einmal halb so hoch
Was ist zu tun? Fast alle Parteien sind sich einig, dass das Angebot an Kita-Plätzen stark verbessert werden muss, damit Mütter in der Ehe und erst recht nach einer Trennung leichter arbeiten können. NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP): „Das unterstützen wir weiter mit einem qualitativen und quantitativen Ausbau der Kitas.“
Die Städte sollten Unterhalt bei Vätern konsequenter eintreiben, forderte Nicola Berkhoff, Vorstand vom VAMV NRW. In Bayern holen sich die Behörden 36 Prozent des vorgestreckten Unterhalts wieder – in NRW sind es 25 Prozent, bundesweit 23 Prozent. Außerdem regt der Alleinerziehenden-Verband eine höhere Grundsicherung für alle Kinder an. So würden die Kosten für die Versorgung der nächsten Generation stärker von der Gesellschaft getragen. Die erfahrene Psychologin Rosemarie Bender rät: „Junge Frauen sollten nur noch Berufe anstreben, die ein wirklich solides Einkommen bringen. Frauen müssen auf eigenen Beinen stehen können.“Leitartikel Seite A2