Lang lebe der Tod
Der Tod gehört zum Leben, vor allem aber gehört er zu Wien. Die österreichische Hauptstadt hat ein besonderes Verhältnis zum Sterben. Gruft, Leichenschmaus, Geisterbahn – eine Reise ins Morbide.
Als Erstes sieht man Gräber. Wer nach Wien reist und vom Flughafen ins Zentrum fährt, passiert einen der größten Friedhöfe Europas. Drei Millionen Tote liegen auf dem Wiener Zentralfriedhof im südöstlichen Stadtteil Simmering – er ist so groß, dass Touristen dort Fiaker-Rundfahrten machen können. 80 Kilometer messen die Wege, es gibt Bushaltestellen. Etwa 1000 PromiGräber mit Musikern, Schriftstellern oder Politiker zählt die Ruhestätte.
Die Bewohner der österreichischen Hauptstadt haben ein spezielles Verhältnis zum Tod. Eine Beerdigung war früher ein Großereignis – pompös musste es werden, am besten sollte die ganze Stadt zusehen. Manche Menschen sparten ihr Leben lang für ihr Begräbnis.
Seit 1967 gibt es ein Bestattungsmuseum, es liegt heute auf dem Zentralfriedhof. In einer früheren Aufbahrungshalle sind Särge, Urnen oder To- tengewänder zu sehen. Besucher können die beliebtesten Beerdigungslieder der Wiener anhören. Platz 1: Time to Say Goodbye, Platz 2: Ave Maria (von Bach), Platz 3: Ave Maria (von Schubert).
Auch das Zentrum Wiens ist ein einziger Friedhof. Die Unterwelt ist von Grüften und Katakomben durchzogen. Die Michaelergruft etwa liegt unterhalb der Michaelerkirche gegenüber der Hofburg, dem Sitz des Bundespräsidenten. In dem engen, dunklen Kellergewölbe ist es kalt, manche der Särge sind geöffnet. Der Besucher schaut auf mumifizierte Leichen, deren Perücken teils noch zu sehen sind.
„Ist der Mozart auch hier unten?“, will ein Junge wissen. „Na, aber sein Schwiegervater“, sagt der Führer. Wo die Reste des Mannes sind, weiß keiner. Totenbücher geben zwar Aufschluss, wer in der Gruft liegt, die Särge selbst sind aber nicht mit Namen versehen. Keinen Zweifel gibt es, wer in der Kapuzinergruft liegt: Wiens wohl berühmteste Gruft unterhalb eines schlichten Klosters beherbergt die Gebeine der Habsburger, die vom 12. Jahrhundert bis zum Ende der Monarchie 1918 regierten. 149 von ihnen finden sich in aufwendig verzierten Särgen. Bei einem Rundgang mit Tanja Dolnak durch die ausgeleuchtete Gruft zeigt sie die wichtigsten Herrscher und lässt auch die Ruhestätte von Österreichs berühmtester Kaiserin Sisi nicht aus.
Drastische Bilder finden sich im Kriminalmuseum, das abseits der Touristenströme in einem unscheinbaren Wohnhaus in der Leopoldstadt untergebracht ist. Hier stellt die Stadt Folterwerkzeuge und Tatwaffen aus und illustriert die schauerlichsten Morde – teils mit Original-Leichenfotos. Das muss man aushalten können.